Das Publikum.
I^i)
lind malt mit lieblichem Betrüge Elysium auf unsre Kerkerwaud,
Wagnern schien aber diese Kerkerwand nicht geeignet, um auf sie die Gebilde seiner Knnst zu malen. Er wollte die beengenden Mauern niederreißen, uns mit Gewalt befreien und hinausführen auf eiuen schönen Aussichtspunkt, wo wir alles viel besser überblicken könnten. Er hetzte uns bergauf bergab, ließ uns klettern, keuchen, schwitzen — uud wenn wir endlich zu seiner schönen Aussicht gelangt waren, sollten wir pM orärs äs Nvutti bewundern. Ja wenn wir nicht Hunger und Durst hätten, wenn wir nicht todmüde wären, wenn es da oben nicht so verwünscht zöge und man nicht nnr daran denken müßte, wie man sich, echauffirt wie man ist, möglichst vor Erkältung schlitzen könne. O du liebe, liebe Alltäglichkeit, hätte ich mich doch nicht aus dir herausreißen lassen, sondern hätte mich begnügt, den „Lohengrin" in meinem behaglichen Stadttheater anzuhören nnd mich durch Elsas und ihres hehren Retters himmlische Gesänge rühren zu lasse», wie damals, als ich noch so klug war, mir meine Kunstgenüsse hübsch zu Hause zu verschaffen, billig und bequem, statt ihnen nachzujagen bis — nach Vaireuth.
Schon die Fahrt hin, die bedenkliche Gesellschaft im Eisenbahnknpee; das stille Städtchen mit den breiten, öden Straßen und dem weitläufigen, ans- gestorbenen Park; des „Meisters" Grab, das man sich durch ein Gitter ansehen darf; die großen Hunde, die im Garten vor der Villa „Wahnfried" drohend auf- und abprvmeniren; die leeren Schlösser mit den vielen Ställen, in denen so wenig Pferde sind; das schlechte Essen, das man um die Mittagsstunde an einer langen und langweiligen t-ibls cl'lluw zn sich zn nehmen gezwuugen wird; die teuern Wohnungen, in denen man die lächerlichen Gntestubenmöbel der Bcnreuther Bürgerschaft zu seiner Bequemlichkeit benutzen soll; die unmöglichen Betten . . . doch das alles ist ja schon vielfach bis ins Detail geschildert worden, und ich war auch ziemlich auf allerlei Strapazen und Entbehrungen vorbereitet. Als es aber nun endlich soweit war und ich emporklomm zu dem der Knnst geweihten Tempel, dem hochragenden, der weithin die lieblich-idyllische Landschaft verunziert, da bemächtigte sich meiner eine Empfindung, die weit entfernt war von derjenigen, welche der „Meister" bei seiner gläubigen Zuhörerschaft durch seine umständlichen Vorbereitungen hatte erzeugen wolle«, eine Empfindung, die ich nicht anders bezeichnen kann als mit dein Worte „Galgenhumor."
Wie sie da angefahren kamen in langen Reihen, die schöngepntztcn Mitglieder der zahlreich anwesenden „obern Zehntausend," uud die weniger schön, aber nicht minder kostbar gekleideten Vertreter des Mittelstandes, „der es kann," und die ebenfalls mit mehr oder weniger gutem Geschmack möglichst heraus- stafsirtcn Künstler und Kunsttheoretiker — alles so ziemlich nach der Schablone —, und wie sie sich dann in aller ihrer Pracht hineinquetschten in die höhlenartigen Eingänge des Wagnertempels und die steilen, in der Breite nur