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die hervorragendsten sind. Während mit dem letztern Waldis in entscheidender Weise in die Refvrmationsbestrebnngen in Riga eingriff, ist der Esvpns geivisser- maßen sein Lebenswerk, das er schon in Lievland begonnen nnd nach seiller Rück kehr nach Deutschland nnd Einlenknng in ruhigere Lebensbahnen fortgesehl nnd vollendet hat. Die dreihundert Fabeln der ersten drei Bücher gehen auf lateinische Originale zurück, das vierte hundert sehte er als neue hinzu. Die unmittelbare Quelle des Waldis ist eine 1516 znerst erschienene Sammlung des Martinas Sorpins aus Löwen, die bis zur 34. Fabel des dritten Bnches die Vorlage bildet. Woher Waldis die übrigen genommen, ob sie eignes Erzeugnis des Dichters sind vder ob er sie anderu Vorlagen entlehnte, ist zunächst schwer zu entscheiden; fast möchten wir meinen, daß matt mehr uvch, als Tittmauu zu thuu geneigt ist, auf Vorlageu als auf eigne Erfindung des Waldis schließen dürfte. Die Persönliche Ein­kleidung ist wohl auch bei Waldis wie bei auderu gleichzeitigen Dichtern oft Kunst- ttüttel, daher denn auch die darin enthaltenen Augabeu über seine Erlebnisse mit einiger Vorsicht aufzunehmen sind. Vom vierten Buche hat Tittmauu nnr eine Auswahl gegeben; die dadurch veranlaßte nene Bezifferung giebt mitunter Anlaß Zu Verwechsluugeu. Im ganzen bedauern wir, daß gerade das vierte Bnch nicht bollstäudig gegeben ist. Es enthält mehr Schwanke als Fabeln; aber gerade diese haben durch ihre frische Darstellung des gleichzeitigen Lebens für uns ein noch höheres Interesse als die Bearbeitimg der alten Äsopischen Fabeln. Doch ist auch sa die Ausgabe sehr willkommen. Zu IV 97 (58) wäre vielleicht nachzutragen, daß der Schwank von einem, der den Esel lesen lehrt, auch vom Stricker seinem Pfasfen Amis einverleibt worden ist.

Auch aus der Sammlung Deutscher Dichter des siebzehnten Jahr­hunderts liegt wieder ein neuer Band, der Vierzehute, vor. Er enthält Lyrische Gedichte von Andreas Gryphius, hernusgegebeu von Julius Tittmann. Gryphius, aus desseu dramatischen Werken Tittmann bereits im vierten Bande dieser Sammlung eine Auswahl veraustaltet hat, ist als lyrischer Dichter weniger bekannt, denn als dramatischer. Zunächst deukt man bei seinem Namen an seine Komödien Peter Squenz nnd Horribilieribrifax. Und doch ist Gryphius auch in seinen lyrischen Dichtungen nicht unbedeutend; es findet sich in ihnen eine Fülle gnter Gedanken, ste atmen einen ernsten frommen Sinn, fiud mit gutem Geschmacke iu schlichter und natürlicher Sprache geschriebeu und zeigen auch eine Beherrschung der Sprache uud eme Gewandtheit im Gebrauche der gebuudeueu Nedeform, die für jene Zeit er­staunlich ist. Freilich der Jammer der Zeit lastet in jeder Weise aus ihneu: nicht uur die trübe Grnndftimmnng besonders der religiösen Gedichte, jener schwermütige Sinn, der bei jedem Anlasse an Tod und Grab denkt und bei diesen Gedanken wgar mit einem gransamen Behagen verweilt, wie das mit einem au die ueueste lranzöfische Schule gemahnenden Realismus ausgeführte SchaudergeutäldeKirch- hvfsgednukeu" beweist uicht nur diese Gruudstimmüng ist die Folge der un­auslöschlichem Eindrücke, die Gryphius vou den Schicksalen seiner Heimat Schlesien Nu dreißigjährigen Kriege empfaugeu hat; die Einleitung Tittmanns, die die per- wulichen Verhältnisse des Dichters hier mehr beiseite läßt, da diese, soweit wir darüber unterrichtet sind, schon im vierten Bande der Sammlung ausführlicher ^'gelegt worden find, zeigt durch die zusammenfassende Darstellung der Schicksale Schlesiens, die ja die eines großen Teiles von Deutschland waren, daß die einer l" grauenhaften Verwüstung folgenden Jahre in erster Linie andern Aufgaben ge­widmet sein mußten als der Pflege der Kuust. Nebeu dem literarische,: Juteresse ist es deuu auch das külturlMorische, das iu hohem Grade durch Gryphius' Ge-