LlM'lott? von 7<alb und Paul. 507
Von Kalb, geborne Marfchalk von Ostheim, an den jnngen Schriftsteller Jvhann Pnnl Friedrich Richter in Hof, der sich „Jean Paul" nannte, abgehen ließ nnd der also lautete: „In den letzten Monaten wurden hier Ihre Schriften bekannt, sie erregten Aufmerksamkeit und vielen waren sie eine sehr willkommene Erscheinung. Mir gabeu sie die angenehmste Unterhaltung, und die schönsten Stnnden in dieser Vergangenheit verdanke ich dieser Lektüre, bei der ich gerne verweilte, nnd in diesem Gednnlentranme schwanden die Bildungen Ihrer Phantasie gleich lieblichen Phantomen aus dem Geisterreiche meiner Seele vorüber. — Oft ward ich durch deu Reiz und Reichtum Ihrer Ideen so innigst beglückt, dankbar ergriff ich die Feder. Aber wie unbedeutend wäre dies einzelne Zeichen von einer Unbekannten gewesen! Also untersagte ich mir, an Sie zn schreiben, bis in einer glücklichen Stunde ich Ihr Lob von Männern hörte, die Sie längst kennen nnd verehret?. Dann ward der Vorsatz von nenem in mir rege. Jetzt ist es nicht mehr die einzelne Blume der Bewuuderung, die ich Jhuen übersende, sondern der uuverwelkliche Kranz, den Beifall und Achtung von Wieland nnd Herder Ihnen wand! — Wieland hat vieles im Hesperns uud Qnintns ausnehmend gefallen, er nennt Sie unsern Aorik, unsern Rabelais; das reinste Gemüt, den höchsten Schwung der Phantasie, die reichste Laune, die oft in deu anmutigsten, überraschendsten Wendungen sich ergießt, dies alles erkennt er mit inniger Freude iu Jhreu Schrifteu. — Vor einigen Tagen lasen wir in Gesellschaft das Programm vom Rektor Frendel. Sonst wirken Satiren, ans mich wenigstens, beschrankend. Mit kaltem Sinn, selbst in der Dämmerung, schwingen die meisten die Geißel der Satire willkürlich, oder der gereizte Affekt bewaffnet ein Vorurteil gcgeu das andere. — Ihrem Blick hingegen hat sich ein weiter Horizont eröffnet, Ihr Herz achtet jedes Glück der Empfindung, jede Blume der Phantasie. Es ist eine helle Fackel, mit der Sie die Thorheiten nnd Unarten beleuchten, und Scherz, Gefühl nnd Hoffnung folgen stets diesem Licht Ihres Geistes. — Sie finden hier noch mehrere Frennde, deren Namen ich Ihnen anch nennen muß: Herr von Knebel, der Übersetzer der Elegien von Prvperz in den Hören, Herr von Einsiedel nnd von Kalb. — Ihre Schriften gehören zn ihrer Lieblingslektüre, die noch lange ihr Lesepult zieren. Ja wir hoffen, daß bei dieser Empfänglichkeit für Welt- nnd Menschenkenntnis nnd diesem Talent, feine Jildividnalitäten zu zeichnen, Sie nnS noch viele Werke Ihrer Feder schenken. — Leben Sie wohl, beglückt durch die Frenden der Natnr, erhöht durch die Genüsse der Kunst, und machen uns mit Ideale» bekannt, die den Dichter ehren und den Leser veredeln werden!"
Dieser enthnsiastische Brief konnte als reiner Ausdruck der Freude au Jeau Pauls geist- uud phautnsievolleu Erstlingsschriften gelten, nnd würde nnch eine für Huldigungen minder empfängliche Natnr, als die des jnngen Schriftstellers war, in freudige Erregung versetzt haben. Jean Paul verstaub zwischen den Zeilen zu lesen und erblickte in dem Briefe eine Einladung, sich an dem Mnsen-