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nisfe verwandelt. Im übrigen ist diese Art des Feuilletons der offne Tummelplatz alles Jntereffnnten und Pikanten. Hier ist das Soudergebiet gewisser literarischer Feinschmecker, welche im Kasfchaus zu Eis oder Mokka die kritische Hinrichtung einer neuen Dichtung mit innern Wonnen einschlürfen. Das Feld dieses Feuilletons geht, soweit die öffentliche Kunst reicht, nur grübt es nicht so tief, als die Knust im Leben wurzelt. Die kaufmünuisch handelnde Gewinnsucht des modernen Kunsttreibens hat sich hier im Nezensententum der Zeitungen ein Forum geschaffen, das mehr ein Zifferblatt äußeren Beifalls nnd klingenden Ertrages ist, als daß es ein Zeugnis über den inneren Wert uud die künstlerische Bedeutsamkeit des Besprochnen abgäbe. Dem Künstler sind Theater- und Kvnzertberichte die wirksamsten Hebel der geld- nnd rnhmhänfenden Reklame, die das ganze liternrische und künstlerische Treiben allmächtig beherrscht. Dem Kritiker selbst sind seine Rezensionen wert als das bequemste Mittel, eiueu bekannten Namen, eine gefürchtete Stellung in der kunstübenden Litcratenrcpublik sich zu erringen; je „kritischer" er schneidet, desto höher steigt die achtungsvolle Furcht der „geschuittucn" oder zu schueidendeu. Was aber ein wirklich urteilsfähiges Publikum an derartigen kritischen Äußerungen interessiren sollte, ist schwer abzusehen. Wer mit teilnehmendem Verständnis selbst eine Anfführnng genossen, bedarf nicht eines gedruckten Urteils, das meist nnr den Niederschlag des Gescnnmt- wähnens der Menge wiedergiebt. An der unpersönlichen, gleichabwägenden Gerechtigkeit in den Kunsturteilen „unabhängiger" Blätter zu zweifeln, hat auch der Uneingeweihte zuviel Grund, als daß er in unbefangnem Vertrauen sich aus ihuen über das unterrichten möchte, was er nicht selbst gehört oder gesehen hat. An innerm Werte leiden diese schnellfüßigen Erzengnisse, deren Hauptbedeutung in ihrem frühzeitigen Erscheinen liegt, so empfindlichen Mangel, daß sie jeden enttäuschen, der wirkliche Belehrung aus ihnen schöpfen will. So bleibt ihnen nichts als die Befriedigung einer müßigen Neugier, die alle viernndzwanzig Stunden des Tages mit Neuigkeiten über Schauspielerinnen und „Premivren" anfüllt; ferner die Bevormundung Unmündiger, die nach einem billigen Stichwort für literarische Salvnunterhaltuug baugen; endlich die Regelung des künstlerischen Geldmarktes, was wohl für alle „Beteiligten" die Hauptsache seiu mag. Am ehesten würden noch diejenigen Billigung verdienen, welche einfach Ort und Stnnde, Stück und Namen, Aufführung und Aufnähme sachlich ohue eigne Zn- thatcn allzeigen würden. Freilich würden sie damit aufhören Fcuilletonisten zn sein und möchten sich wunderlich genug ausnehmen in einer Zeit, wo schon die Buchhäudlerauzeigeu lobposauuende Kritikeu sind.
Man scheidet bisweilen zwischen „niedrer" nnd „höherer" literarischer Kritik nnd möchte die niedre in die Zeitungen nnd die höhere in die Zeitschriften verweisen. Das geht heute nicht mehr nn, wo „erste Essayisten" stündige Kritiker für Tngesblätter sind, und alle „höhere" Kritik zum lohnenden Zeitungsfeuilleton herabsteigt. Das Zeitschrifteuwesen verbleibt in seiner ganzen Breite fast nur den