vom Leipziger Theater.
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Kopfnicken, Kopfschüttcln wirkt höchstens eine Minute lang. Dann hat man vollständig geling und wünschte, daß die zappelnden Statisten sich verzögen, den eigentlichen Aktenrs Platz machten nnd sie so zu Worte kommen ließen, daß diese nicht fortwährend zu schreien brauchten. Geht es den ganzen Akt hindurch, so wird es zur Unnatur nnd ermüdet in hohem Grade. Auch von der Kostümi- rnng könnte man sagen: Weniger wäre mehr, und die gepriesene historische Echtheit war doch nnr teilweise vorhanden. Rechts im Vordergründe z. B. saßen vor einem Zelte zwei Flickschneider; es waren ein paar wohlfrisirte nnd pomadi- sirte Statisten, wie sie jedes andre Theater auch hinsetzen könnte. Auch die Marketenderin sammt ihrem Fräulein Nichte erschienen so schmuck nnd wie ans dem Eie geschält, als ob sie eben zur Maskerade geheu wollten. Und einer Maskerade glich das ganze Lager.
Eine Menge einzelner Züge, welche die Mcininger in ihrer Jnszeuirung des Lagers angebracht haben und ans welche sich der Herr „Jntendanzrnt" gewiß das meiste zu gute thut, sind eine ebenso große Anzahl von Geschmacklosigkeiten. Wo der Svldatenschnlmeister den kleinen Jungen der Marketenderin in die Schule jagt und sich dabei allerdings des Plurals bedient: Fort in die Feldschule! Marsch, ihr Bubeu! raunten plötzlich aus den Kulissen ein Dutzend Jnngen und würgten sich gröhlend hindurch nach dem Hintergründe. Ob das wirklich den Absichten des Dichters entspricht? Wo der erste Jäger seine Kriegsfahrten erzählt und an die Worte kommt: Da nahm ich Handgeld von den Sachsen, nahm der Schauspieler auf einmal den singenden Tonfall des Dresdner Philisters an; es hätte nur noch gefehlt, daß er hinzusetzte: Ei herrcheeses! Paßt das in die Rolle? Hat Schiller entfernt an so etwas gedacht? Welche Übertreibung ferner, wenn der Bauer, der beim falschen Spiel ertappt worden ist, ans die Bühne geschleppt, wie ein Stück Vieh da herumgeschmissen, getreten nnd mit Füßen gestoßen wird! Gewiß höchst naturalistisch! Aber gehört dergleichen in ein Schillersches Stück?
Ein ganz unangenehmer Patron war der Rekrut. Dieser feiste, stumpfnasige Bursche drehte sich, nachdem er sein Liedchen abgesungen, nnnnterbrochen mit seiner Flasche im Vordergrunde der Bühne herum und spielte — deu Clown. Wo z. V. der Wachtmeister deu übrigen gravitätisch seine „Gedanken sagt" nnd an die Stelle kommt: Zum Exempel, dn hack' mir eiuer vou den fünf Fingern, die ich hab, hier an der Rechten den kleinen ab, trottete er mit einem Degen heran, that als ob er dem Wachtmeister wirklich deu Finger abhacken wollte, bekam dafür seine Ohrfeige nnd trottete wieder ab mit einem Schafsgesicht wie Angust im Zirkus. Wo bietet das Stück auch nur deu lciscsteu Anhalt zu solchen Narrenspvssen!
Die verpfuschteste Gestalt im ganzen Lager war jedenfalls der Kapuziner. Wir haben nie eine so schlechte Kapuzinerpredigt gehört. Die Deklamation war geradezu sinnlos, die Betonung voller Fehler. Von irgend einer einheitlichen