Beitrag 
Ohne Ideale.
Seite
26
Einzelbild herunterladen
 

20

so näher kommen, je weiter das Gebiet ist, das seine Schvpsnng umspannt, je mehr es ihm gelingt, dies bunte Ganze unter einen Gesichtspunkt zu bringen, von einem Gedanken beherrschen und durchgingen zn lassen, wenn er in richtiger Erkenntnis die Angelpunkte der geistigen nnd seelischen Bewegungen der Zeit zn finden, von ihnen aus das bunte Getriebe zu fassen, und es so in seiner Zu­sammensetzung und Gliederung darzustellen vermag.

Wenn auch nicht dnrch die umfassende Weite, so doch durch die eindringende Tiese des Vvrwurfes ragt unter deu neuereu Schöpfungen auf diesem Gebiete Adolf Sterus neuester Romau,Ohne Ideale," hervor.*)

Der Titel ist geeignet etwas irre zu führen; er ist nicht vom Helden und dessen Gesinunugsverwcmdten, sondern, um einen dramaturgischen Ausdruck zu gebrauchen, vom Gegenspiel entnommen. Es ist der Sieg des Idealismus über den kraft- und mutlosen Unglauben an die Macht des Ideales einerseits, und über die schuöde Selbstsucht, deu rohen Amerikanismus und das abgefeimte Strebertum andrerseits, der hier verherrlicht wird. Freilich vermag nicht jeder diesen Kampf siegreich zu bestehen; wer dazu uicht festen Willen und ein seine Leidenschaften beherrschendes Herz mitbringt, dem geht mit dem Glaube» an sein Ideal auch jeder innere Halt verloren, dem bleibt nichts übrig, als die Flucht aus dem Leben. Das ist das Schicksal der edel nugelegten, aber schwärmerisch- phantastischen Prinzessin Stephanie, welche die von dem hochbegabten, aber niedrig gesinnten Künstler Arsakofs ihr zugefügte Täuschung nicht zu verwinden vermag, während der Held des Romans, der Baumeister Erich Franken, der seine Kraft auch in der Entsagnng bewährt, über die Ränke des Nebenbuhlers und matthcrzige Vorurteile anderer durch seine vom Glauben an seine künstle­rischen Ideale getragene Persönlichkeit den Sieg davonträgt.

Leider bringt das Ende des Romans diesen Sieg nicht so rein und voll zum Ausdruck, wie die tief angelegte Komposition es verlangte. Erich Franken erlangt vom altcu Präsidenten Herther die Hand seiner Tochter nicht dadurch, daß er, Herthers Vorausverkündigung zuwider, aus der Grundlage der Knnst sich eiue neue, feste Existenz schafft, nachdem er die alte freiwillig um der Kunst willen ausgegeben, sondern seine treue Freundschaft im Augenblick des Unglücks und der Not ist es, die den von dein ideallosen Streber Paul Lohmer schmählich verlassenen alten Mann wieder in Erichs Arme treibt; der Widerstreit der Weltanschauung, die sie früher getrennt, bleibt unausgeglichen. Überhaupt zeigt die Durchführung des Planes Schwäche» und Lücken; manches ist überflüssig, andere Partien lasfei: den Wnnsch nach weiterer Aufklärnng znrück. Die weitere künstlerische Entwicklung des Helden in München, die Entstehung seines Verhältnisses zur Schauspielerin Anna Hallwig, die Ver-

Ohne Ideale, Roman von Adolf Stern. Zwei Lande. Leipzig, Fr. Will), Grnnow, 1882.