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Zur Geschichte der Schrift und des Schriftthums.
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sche Neichsarchiv und die thönerne Bibliothek Asurbanipals (Sardanapals). der von 660-647 regierte, zu erkennen geglaubt." Der Abdruck des Inhalts dieser Tafeln (an der Zahl mehr als 10.000) würde 24,000 Folioseiten anfüllen.

Dareios I. führte nach Babylons Zerstörung eine ganz neue perfische Keil­schrift ein, in der Doppelkeil und Dreieck fehlen und die nach größerer Ein­fachheit strebt. Die Entzifferung dieser Schrift hält Wuttke im Widerspruche zu der Auffassung Anderer noch nicht für abgeschlossen. Im gemeinen Ver­kehr wurde neben der persischen Staats-Keilschrift noch die semitisch-phönizische Lautschrift gebraucht; erstere reichte östlich bis Ekbatana und Balch, nördlich bis zum Kaspisee, südlich bis zur Grenze Indiens; die letztere war im Westen Kleinasiens mehr verbreitet.

Am Hofe der Perserkönige bestand ein überaus entwickeltes Schreiber­wesen. Die Schreiber hatten alle Regierungshandlungen aufzuzeichnen und diese Niederschriften in einem Neichsarchiv aufzubewahren. Der griechische Arzt Ktesias, welcher 401 v. Chr. in persische Gefangenschaft gerieth, hat uns in den bei Diodor aufbewahrten Fragmenten seiner Orientgeschichte die Thatsache überliefert, daß diese Archivschriftcn auf Thierhäuten abgefaßt wa­ren, welche Ktesiasdie königlichen Felle"") nennt. Damals war also der Thon als Beschreibstoff bereits durch ein weniger beschwerliches Material ersetzt.

Noch eine wichtige, schon der Zahl ihrer Angehörigen nach bedeutsame Völker gruppe ist bei der Erfindung der Schrift in erster Reihe betheiligt: es ist die chinesische. Wuttke, dessen gründliche historische Forschung und geschichtliche Verarbeitung des ungeheuren Quellenmaterials alle Anerkennung verdienen, wivmet der Schriftentwicklung der Chinesen eine überaus ein­gehende Betrachtung, von der hier, ohne nähere Wiedergabe der histori­schen Darlegung, nur einige Daten über den Umfang und den Charactcr des chinesischen Schriftthums mitgetheilt werden sollen.

Schon um die Mitte des 10. Jahrhunderts besaßen die Chinesen einen größeren Reichthum an Schriftwerken als die Europäer um das Jahr 1444 unserer Zeitrechnung. Selbst den Druck haben die Chinesen eher gekannt; bereits um 924 n. Chr. hatte man den Steindruck in China erfunden. Da­mals waren trotz der vorangegangenen Bücherverbrennung roch 30.000 Werke vorhanden. Im 11. Jahrhundert begann man in China mir beweglichen Lettern zu drucken; doch blieb das chinesische Druckverfahren bis auf die

-) iS«o--/lt--«t F-xSch«.. In Griechenland trat das Schriftthum vcrhälcnißmäßig spät auf, zuerst bei den kleinasiatischcn Jonicrn. Noch Lykurg's Gesetze waren nicht aufgeschrieben, son­dern wurden mündlich überliefert.

Grenzboten 1873. III. 4?