315
nisten in Paris ihren gläubigen Lesern damals dedueirten, die schwere Leistung der Räumung und Schleifung der Festung von Preußen erzwungen, ohne irgend eine Gegenleistung dafür zu entrichten.
Und wir nun? Was sagten wir zu alledem? Unsretwegen war ja der ganze Streit entbrannt. Wir hatten im tiefsten Brustton beleidigter Menschenwürde, die biedre Rechte auf dem biedern Herzen betheuert: wenn wir einmal nicht Frankreich an Luxemburg annectiren dürfen, wie wir und unser König-Großherzog im Frühjahr 1867 ja so gerne gemocht hätten, dann müssen wir neutral gemacht werden und nichts als neutral, und alle Großmächte müssen mit dem anbinden, der unsre Neutralität etwa antastet. Was sagten unsre Neutralitätsfanatiker nun zu der englischen Erklärung und zu dem französischen Beifall für den Lordkanzler? Nichts, gar nichts. Sie schwiegen mit verschämtem Lächeln nach Paris. Denn daß der Preuß unsre Neutralität nicht zuerst verletzen würde, wußte man, und daß der Franzos ins Land käme, sobald es ihm paßte, ohne von England und den übrigen Mächten grob behandelt zu werden, dessen freute man sich im Stillen oberkräftig.
Nur die Kleinigkeiten, die bei Weißenburg, Wörth, Spicheren und in den Augustschlachten den französischen Kriegsplänen in den Weg kamen, hinderten die Erfüllung der Wünsche, welche unsre Fransquillons an die practische Gestaltung unsrer Neutralität im Kriegsfalle knüpften. Der Franzos kam nicht ins Land. Unsre Neutralität wurde ganz genau so streng gehalten, wie sie im Londoner Bertrag v. 1867 desinirt ist — vom „Preuß" nämlich. Denn der Franzos kann für seine Vertragstreue, wie man sieht, füglich nicht verantwortlich gemacht werden. Nun hätte man denken sollen, wir würden dasür dem „Preuß" Dank wissen, daß er uns so anständig behandle, als stünde an unsern Grenzen eine Armee von einer halben Million und nicht blos das Blatt Papier von London zu unserm Schutz. Hören wir über diesen Punkt Freund Hilarius Jocundus einmal wörtlich. Er schreibt:
„Sie kennen uns schon ein bischen, aber noch lange nicht gut genug, um uns nach Verdienst zu schätzen. Wir allein kennen unser ganzes Verdienst und respeetiren uns, wie es sich gehört. Doch der richtige Patriot will, daß alle Welt ihn und die Seinigen respectire. Und daß ich nicht zu den „Vaterlandsverräthern" zähle, die da mit Bismarck in dasselbe Horn blasen, wissen Sie bereits. Wir sind klein aber rein, und „wir wollen bleiben, was wir sein", wie unser größter Dichter sagt. Doch so klein wir auch sind, wir hätten schon 1867 Frankreich gerettet, wenn der deutsche Michel gewollt hätte. Wie? Herr! Sie lachen? Sie glauben mir nicht? Seh' ich aus wie ein Mann, der Spaß machen will? Wir hätten 67 Frankreich nur zu annectiren brauchen, so wäre ihm geholfen gewesen und uns ebenfalls. Sie, Herr! säßen heute nicht zu Metz als Redacteur einer deutschen Reichszeitung, und wir — denn