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Partei durch die Fideicommißfrcige aufgelöst, eine Verständigung der preußi schen Altconservativen und Liberalen zu Stande kommen und man sich rückhaltlos auf den Boden der modernen Cultur des Rechtsstaats, des nationa- len Gedankens und des socialen Friedens stellen werde,
W>r vermögen zwar den überschwenglichen Hoffnungen, welche der Ver-- fasser auf die Zukunft setzt, nur zu einem kleinen Theile zu hegen, begleiten aber trotzdem seine diesfallstge Schilderung der zukünftigen Verhältnisse mit einem herzlichen „Geb's Gott!"
Die zweite uns vorliegende Schrift, welche den bekannten Prof. Dr. von der Goltz, die erste landwirtschaftliche Autorität der Realisten, zum Verfasser hat, ist viel weniger umfänglich, als das Walcker'sche Werk, behaw delt dafür aber auch nur eine Seite der socialen Frage, und zwar die sociale Bedeutung des Gesindewesens, Unter Gesinde versteht der Verfasser im Gegensatze zu den eigentlichen Tagelöhnern ?e, diejenigen Personen, welche zu einer gewissen Reihe von Dienstleistungen einem bestimmten Dritten gegenüber contractlich verpflichtet sind, und welche für Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten, außer einem festen Jahreslohn, freie Wohnung und Verpflegung empfangen. Er weist darauf hin, wie das Gesinde im weiteren Sinne zur Familie der Dienstherrschaft gehört, zeigt an der Hand der Statistik, welch bedeutenden Bruchtheil der selbständigen Staatsangehörigen die zum Gesinde gehörenden Personen repräsentiren — in Preußen gibt es allein eine halbe Million weiblicher Dienstboten und betont die Wichtigkeit, welche gerade dem Gc- sindewesen innerhalb unserer gesammten socialen Ordnung deßhalb zukommt, weil die meisten Gesindepersonen in einem Alter stehen, in welchem sie noch ebenso erziehungsbedürftig als erziehungsfähig sind. Besonders für die weiblichen Dienstboten hat der Gesindedienst insofern eine hohe Bedeutung, als diese für ihren künftigen Beruf als Hausfrau und Mutter während dieser Stellung mancherlei zu lernen Gelegenheit erhalten und später in der Regel wirtschaftlichere Hausfrauen und bessere Mütter werden, als die dem Arbeiterstande angehörigen Personen, welche sich alsbald nach ihrer Entlassung aus der Schule mit Fabrikarbeit beschäftigt haben.
Die Klagen, welche fast allgemein über die erhöhten Ansprüche der Dienstboten und ihre mangelnde Leistungsfähigkeit laut werden, hält der Verfasser nur zum Theil für begründet. Er gibt zu, daß unter der arbeitenden Classe die Neigung zum Gesindedienste mehr und mehr abnehme, sucht aber nachzuweisen, daß die erhöhten Ansprüche der Dienstboten rückfichtlich des Lohnes, der Beköstigung und Behandlung dem Zuge unserer Zeit entsprechen und im Allgemeinen nicht ungerechtfertigt seien, denn ihre geistige Bildung sei zur Zeit eine entschieden höhere, als früher und man stelle auch jetzt erheblich höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Gesindes.