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Ein Separatvotum zu Shakspeare's "Othello".
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anfänglichen Fremdheit, aus einem Schein von Antipathie hervor. Der Freund muß Othello gegen allerlei Ausstellungen in Schutz nehmen, welche das Mädchen an ihm macht, vielleicht nur, um ihn mit geheimem Entzücken lebhaft vertheidigen zu hören. An ihm reizte doch auch wieder das fremd- artige Wesen, das den Frauen zu gefallen pflegt, weil es ihre Phantasie be­schäftigt; sein Ruhm, und daß er ein großer Krieger ist, daß er einsam ist, mit einem offnen Kinderherzen, und bei aller Größe ein Paria. So flößt er ihr zugleich Scheu, Interesse, Bewunderung und Mitleid ein. Für Othello's Physische Mängel ist Desdemona nicht blind; aber was sie unauflöslich an ihn kettet, der tiefe Grund der Liebe, die beide verband, das ist, daß Beide ein warmes, schlichtes, treues Herz haben. Beides, daß sie ihn nicht schön findet und daß sie seinen Werth fühlt, drückt sie mit rührender Einfachheit in den Worten aus: I Otbolln's vignM iu« mlnci. Und wie hinreißend innig ist in der Sterbescene ihre Antwort auf Othello's Wort:

Denk Deiner Sünde! Desdemona. Das ist zu Dir die Herzensliebe.") Und die Lüge im Tode, durch die sie ihren Mörder zu retten versucht; darin wieder die bescheidene, demüthige Hingebung:

Cmuim'iul ML l« Kind loicl! Gervinus geh't anfänglich so weit, daß er alsden Sinn und die Seele" unseres Dramas dieprosaischen Wahrheiten" bezeichnet, die in der italienischen Novelle des Giraldi Cinthio Desdemonain folgenden glatten Worten" nieder­legt:Ich fürchte, daß ich jungen Mädchen noch zur Warnung dienen muß, sich nicht wider den Willen ihrer Eltern zu verheirathen, und daß eine Ita­lienerin sich nicht mit einem Manne verbinden sollte, dem Natur, Himmel und Lebensweise ihr völlig entfremdet." Also das Trennende der Abstammung über die gemeinsame Menschlichkeit gestellt! DieseWahrheiten", behauptet Gervinus.springen aus Shakespeare's Trauerspiel .... entgegen"; natür­lichverklärt in glänzender Poesie und gegründet auf die tiefsten Lebenser­fahrungen."Wir aber in unserer Zeit haben für die erstere dieser Wahr­heiten nicht den lebendigen Sinn, wir schlagen die Auflehnung Othello's und Desdemona's gegen das Recht der Familie nicht so hoch an, wie es der Dichter und seine Zeit that. Ob ... . wir Recht haben oder der Dichter, wer will es unterscheiden! Es wird uns . . zu empfehlen sein, in unserem

Hier, wie^rn^ideren Stellen ist es A. W. Schlegel gelungen, den Ausdruck des Ori- girmls zu übertreffen; so in den Worten der Desdemona-Dch ich den Mohren Nebt, um ihm zu leben." (to Uvv vitk Kim).