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und Staatserhaltung ohne den Hauch erneuender Lebenskraft, Darum wiederholen wir, daß der Abg. Lasker seinen glücklichsten Tag hatte, als er zum ersten Male dieser Aufgabe seinerseits Ausdruck lieh, wenn wir auch den Ausdruck noch bewußter und erschöpfender gewünscht hätten. Im Uebrigen berührte der Abgeordnete die Frage, ob das für die Militär-Ausgaben des Jah- resi872 geforderte Pauschquantum seine verhältnißmäßige Niedrigkeit nicht der Gunst von Umständen verdanke, welche schon der nächsten Ausgabefeststellung nicht mehr zu Gute kommen werden. Der Bundesbevollmächtigte Graf Roon bestätigte diese Annahme mit den Worten: „ich wünsche keineswegs, daß Jemand damit überrascht werde, daß die Militär-Verwaltung für die Kriegsbereitschaft der Armee und die Wafferifähigkeit des Landes die Freigebigkeit der Nation in höherem Maße als bisher in Anspruch nehmen muß." Der Abgeordnete Richter, als Redner der Fortschrittspartei, erblickte in der Bewilligung eines Pauschquantums für einen Ausgabeplan, dessen einzelne Posten der'Reichstag eines Tages vielleicht beanstandet, einen Wechsel auf die Zukunft, den er nicht unterschreiben zu können erklärte. Um den Klimax zu schließen, nahm auch der Abg. Bebel das Wort. Es ist nicht nöthig, auf die Reden dieses Abgeordneten einzugehen, sofern sie nicht gefährliche Irrthümer enthalten. In der Regel sind die Irrthümer, welche Herr Bebel vorträgt, zwar kräftig, aber nicht gefährlich. Diesmal warf er den Liberalen aller Schattirungen vor. daß sie nicht genug gegen die Erhaltung des Heeres opponirren. „Es sei dies aber nur die Folge des Selbsterhaltungstriebes; man suche den Schutz des Heeres gegen die sociale Bewegung. Bald würden jedoch die socialistischen Arbeiterelemente in das Heer dringen." Der Reichstag beschloß, den Reichshaushalt nicht an die Budget-Commission zu verweisen, sondern die zweite Berathung s. Z, sofort im Plenum vorzunehmen.
Am Zt. October gelangte eine Vorlage zur ersten Berathung, betreffend die Ueberweisung eiserner Vorschüsse für die Verwaltung des Kriegsheeres aus der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung. Wir bemerken für diejenigen Leser, die vielleicht den Gegenständen der Reichstags-Verhandlungen nicht mit beständiger Genauigkeit zu folgen vermögen, daß es sich hier nicht um den Kriegsschatz bandelt, der nur zur Bestreitung der ersten Mobilmachungskosten bei entstandener Kriegsgefahr bestimmt ist. Bei der jetzt erwähnten Vorlage handelt es sich um die Bildung von Betriebsfonds für die laufenden Bedürfnisse des Heeres, deren die Neichskriegsverwaltung bisher entbehrte. Dieser Mangel führte zu einer großen Belästigung der Einzelstaaten, welche der Neichskriegsverwaltung die nöthigen Vorschüsse aus ihren Mitteln leisten mußten. Die Vorlage fand keinen Widerspruch. In Betreff der zweiten Lesung wurde ein Antrag des Abg. Hänel angenommen, dieselbe mit der zweiten Lesung des Neichshaushalts zu verbinden. In derselben Sitzung ging noch der Gesetzentwurf über die Unterstützung der Gotthardt- Bahn "durch die erste und zweite Lesung, ohne zu erheblichen Bemerkungen Anlaß zu geben.
Am 2. November folgte die erste und zweite Berathung des von dem Mecklenburgischen Abg. Büfing und Genossen eingebrachten Antrages: hinter Artikel 3 der Reichsverfassung'einen neuen Artikel aufzunehmen folgenden Inhaltes: In jedem Bundesstaat muß eine aus Wahlen der Bevölkerung hervorgehende Vertretung bestehen, deren Zustimmung bei jedem Landesgesetz und bei der Feststellung des Staatshaushalts erforderlich ist." Auch der unkundigste Leser weiß, daß die Spitze dieses Antrages gegen die feudalen Zustände in Mecklenburg gerichtet ist. Das Interesse aber, von welchem die Parteien in dem Verhalten zu diesem Antrag bestimmt wurden, liegt, wie