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Rede hingeworfenen Anregungen ging zum Theil unmittelbar, zum Theil durch Vermittelung des Goethe'schen Götz und Faust, Bürger's und des Malers Miller, wie der Musäus'schen Volksmärchen die romantische Schule, aus ihnen die germanistische Philologie, aus ihnen die Schlegel'schen und Grimm- schen Brüder, Tieck, Schelling und Hegel, aus ihnen die Erweiterung unseres Schriftwesens bis an das Thor der Weltliteratur, aus ihnen aber auch die Erweckung und Befreiung des nationalen Selbstgefühls hervor: unsere großen, die Poesien aller Zeiten und Nationen nachbildenden Uebersetzer, ebenso wie die deutschen Patrioten Arndt, Iahn und Fichte sind von Herder'schen Gedanken angeregt und durchdrungen.
Und daneben nun diese vornehme Weise Goethe's, die dem unendlich verdienstvollen Manne nicht einmal klar, rein und uneingeschränkt den Dank zollt, den er ihm persönlich schuldete: es ist recht verdrießlich, verdrießlich, weil ihm dadurch die Anerkennung der Nation verkümmert ist.
Man kann sich ja denken, wie Goethe darauf kam, so über Herder zu berichten. Er deutet's in den beigefügten Reflexionen über „Nichtdankbarkeit, Undank und Widerwillen gegen den Dank" selbst an: „Ich bin von Natur so wenig dankbar, als irgend ein Mensch, und beim Vergessen empfangenes Gutes konnte das heftige Gefühl eines augenblicklichen Mißverhältnisses mich sehr leicht zum Undank verleiten/'
Man weiß, daß sich später zwischen ihm und Herder allerdings ein „Mißverhältniß" herausbildete. Und es läßt sich nicht verkennen, wieviel Schuld daran Herder hatte. Auch uns ärgert ja, wenn der Alte aus hämischer Mißgunst gegen den neuen durch Goethe, Schiller und Kant bewirkten Aufschwung deutscher Bildung, weil man jetzt ohne ihn auszukommen wußte, sich in absichtliche Ueberschätzung der alten, abgelebten Literatur verlor, die er einst selbst so stürmisch angerannt hatte.
Aber darüber darf die Nation jedenfalls nicht der unendlichen Verdienste vergessen, die der jugendliche, alle Tiefen aufwühlende Herder in den ersten zwölf Jahren seiner literarischen Wirksamkeit um die Neugestaltung und Erfrischung des verbildeten und verkommenen Nationalgeistes sich erworben hat.
Eine Seite seiner reichen und fruchtbringenden regenerirenden Thätigkeit haben die obigen Zeilen behandelt; sie wollten ein bescheidener Beitrag zu dem Danke sein, welchen das deutsche Volk dem Namen eines Mannes schuldet, den eigene spätere Verirrungen und die übelgestimmte Darstellung seines größten Schülers mit Unrecht in Vergessenheit gedrückt haben.
Berichtigung. Statt Pcrry muß es iu den ersten beide» Theilen dieses Aufsatz^ Pereu heißen.