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Vier Briefe eines Süddeutschen an den Verfasser der "Vier Fragen eines Ostpreußen" : zweiter Brief.
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wenn er anstatt 344 vor Christus in Athen, 1867 nah Christus in Stuttgart spräche,obgleich alle, wenn sie auch selbst nichts thun, doch darin einver­standen sind, daß man handeln müsse, so finde ich doch alle unsere öffentlichen Angelegenheiten in e'nem so vernachlässigten Zustande der Gedanke ist fast unerträglich, aber ich fürchte, er ist wahr daß, wennauch alle unsere vielen (Volksvereins-) Redner (Oesterlen, Mayer, Hausmann, Nößle) Vorschläge über die Mitlel, durch welche unsere Lage möglichst verschlimmert werden könnte, machen wollten, und w>nn Ihr von ihren schlimmen Vorschlägen die aller- schtimmsten genehmigen wolltet, es mit uns doch kaum schlimmer werden könnte, als es bereits ist. Verschiedene Gründe haben wohl hierzu mitgewirkt, und nicht blos aus einem Grunde, oder aus zweien sind die Dinge so weit gekommen. Aber bei unparteiischer Prüfung werdet ihr finden, daß doch vorzugsweise die daran Schuld sind, welche Euch lieber Dinge, die ihr gern hört, sagen, statt ehrlich zu rathen, was gut ist. Ein Theil von diesen, Männer von Würtem- berg. sucht, ohne sich im Geringsten um die Zukunft zu kümmern, den gegen­wärtigen Stand der Dinge ausrecht zu erhalten, weil er ihnen seine Stellung und seinen Einfluß verdankt. Ein anderer Theil beschuldigt und verleumdet die, welche an der Spitze der (deutschen Central-) Staatsgewalt stehen, und bezweckt damit nichts Anderes, als daß der deutsche Staat diesem, in diesem aber sich selbst, den Proceß mache, damit, während Deutschland wit seiner Selbst­auflösung beschäftigt ist, Philippos (Frankreich) mit uns machen kann, was es will. Dergleichen Spiegelfechtereien sind leider bei uns im Schwange. In ihnen aber liegt die Wurzel alles Uebels. Denn seht doch, sonst glaubt Ihr überall unbeschränkte Redefreiheit zulassen zu müssen, selbst dem Gesinde gestattet Ihr sie und den Auswärtige» (Struve, Frcse, Bornemann. Kolb, Röckel, Moses May); und in der That hört man bei uns das Gesinde und die Auswärtigen ihre Meinung lauter und lärmender aussprechen, als die angesessenen Bürger. Aber aus Euren politischen Versammlungen habt Ihr leider die Redefreiheit verbannt. Die Folge ist. daß Ihr in diesen Versammlungen die Aufgeblasenen spielt und Euch von Einigen mit schönen Worten den Bart streichen laßt, während Ihr doch schon längst im Innern so tief heruntergekommen seid und gegenüber dem Philippos (Frankreich) in der äußersten Gefahr schwebt. Seid Ihr auch jetzt in dieser aufgeblasenen Laune, dann will ich schweigen. Dann habe ich Euch nichts mehr zu sagen. Wollt Ihr aber einmal auf guten und ehrlichen Rath hören, dann will ich sprechen. Denn wenn auch unsere (süd­deutschen) Angelegenheiten noch so verzweifelt stehen, und vieles schon verloren ist, so ist es doch noch möglich, wenn Ihr nur Euere Schuldigkeit thun wollt, wieder alles in Ordnung zu bringen. Mags auch sonderbar klingen, aber wahr ists: Grade das, was bisher das Schlimmste war, läßt von der Zukunft das Beste hoffen. Und was ist das? Einfach das, daß nur durch Euem