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der das Metallstück unter dem Stempel festhielt. Dazu gehört ein ähnliches kleineres, vom sechsten Theil des Gewichts des größeren Stückes. Diese Stücke haben unsre Münzforsch er dem äußern Anschein nach für die ältesten aller vorhandenen Münzen erklärt und im Wesentlichen gewiß mit Recht. Die Zeit ihrer Prägung ist nicht mit Bestimmtheit auszumachen: aber sie sind nicht so uralt, wie man wohl annimmt; ihr Ursprung fällt sicher später als die Entstehung der ebenfalls in Kleinasien heimischen und der Münze nirgends gedenkenden homerischen Gedichte und wahrscheinlich später als der Beginn der Olympiadcmcchnung; es ist kein zwingender Grund vorhanden, die Entstehung der Münze über das siebente Jahrhundert vor Chr. hinaufzurücken. Aber der Entstelmngsort ist bezeichnend. Die Griechen nennen jenes große Goldstück den phokaischen Statcr. das dazu gehörige kleine das phokaische Sechstel; diese Münzen galten also als ursprünglich und hauptsächlich geschlagen >» der Stadt Phokaea. Phokaea ist ein Hasenvrt des klcinasiatischen Joniens unweit Smyrna; jetzt ein namenloses türkisches Städtchen, aber einst der Stammsitz einer kühnen Schifferbevölkerung, die in der griechischen Geschichte ungefähr die Rolle gespielt hat. wie in der des Mittelaltcrs die Portugiesen: von hier aus ist zuerst das westliche Mittelmcer befahren, von hier aus sind die italische Westküste, die Insel Cvrsica, die Gestade der Provence und Kataloniens in den Kreis des griechischen Lebens gezogen worden. Auf diesem Punkte also, wo Asien und Europa sich berühren, in cincr auf asiatischem Boden gegründeten, aber in ihrer Thätigkeit durchaus dem europäischen Verkehr zugewandten Stadt, in einer Stadt, die wie keine andere es sich zur Aufgabe gemacht hat, den fernen Westen mit dem Osten zu vermitteln, in der Mutterstadt Marseilles, da mag wohl zuerst die Münze entstanden sein.
Nach Kleinasien also, an die ionische Küste führt uns die älteste Geschichte des Geldstücks — in eben jene Gegend, wo die Buchstabenschrift ihre Ausbildung empfangen hat, wo der griechische Handel zuerst erblüht ist, wo zucrst das Schifferdvrf zu einem Gemeinwesen freier Bürger sich entwickelt, wo Poesie und Philosophie ihre frühesten und mit die herrlichsten Blüthen getrieben haben. Der Pfennig ist ein geringes Ding, und es mag Manchem seltsam vorkommen, wenn ich seinen Ursprung zusammen nenne mit dem göttlichen Homer und dem Weisen Thales; und doch schickt sich dieses Alles recht wohl zusammen — sind es doch vier der gewaltigsten irdischen Dinge, die in die Schöpfung der Münze sich theilen: Staat, Handel, Kunst und Wissenschaft. Wer über Münzen handelt, der hat ein Recht darauf Zahlen vorzubringen; und obwohl ich mich dieses Rechts mit Bescheidenheit bedienen werde, so würde ich doch dem Gegenstand nicht genügen, wenn ich ganz schwiege von den Anfängen des Münz- shstems. Die älteste asiatische Ordnung von Maß und Gewicht ist erst vor wenigen Jahren uns genau bekannt geworden durch die von Layard in Ninive