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In der Ncdc an seine Wähler, wenn wir anders den etwas unklaren Bericht der Stettiner Zeitung richtig auffassen, stellt er es als die wichtigere Aufgabe des gegenwärtigen Landtags dar, für die organische Gesetzgebung zu sorgen, da die Verwaltung, deren Controle außerdem den Ständen zukommt, vorläufig in guten Händen sei.
Wir sind der entgegengesetzten Ansicht: wir glauben, daß wenigstens in dieser Session der Landtag sich nicht zu viel mit der organischen Gesetzgebung zu befassen haben wird, daß es aber wol seine Aufgabe ist, das Ministerium in sciuem Bestreben, die Ausführnng der Gesetze dem Sinn der Gesetze entsprechend zu machen, durch mehr als blos passiven Beistand zu unterstützen.
Was die organische Gesetzgebung betrifft, so Pflegt ein Parlament, das im Allgemeinen in die Regierung Vertrauen setzt, dieser die Initiative zu überlassen. Wir glauben nicht, daß die Negierung gegenwärtig schon die hinreichende Zeit gefunden haben wird, in dieser Hinsicht umfassende Vorlagen vorzubereiten, und wir glauben, daß unter allen Umständen das Provisorium einer übereilten Gesetzgebung, die nachher doch theilweise wieder zurückgenommen werden-müßte, vorzuziehn ist.
Dagegen ist nicht rasch genug für eine wirkliche Constituirung der obersten Regieningsgewalt Sorge zn tragen, und wir glanben. daß darin der Landtag dem Ministerium wesentlich zu Hilfe kommen kann. Zwar halten wir' ebenso wie Professor Gncist eine Pnrteiregierung im strengern Sinn den preußischen Zuständen nicht angemessen, aber wir dürfen nicht übersehn, daß wir seit wenigstens sechs Jahren eine solche wirklich gehabt haben. Bis dahin war die gutgeschultc, an regelmäßige Arbeit gewöhnte 'und in ihre Amtspflichten ganz aufgegangene Bureaukratie oder, wenn man will, „Amtsgentry" der neutrale Boden gewesen, aus welchem die einseitigen Pattcibcflrebungen sich paralusirten. Seitdem aber Herr von Westphalen am Steuerruder saß, ist die Gesinnung uud der Diensteifer an Stelle der Amtsfähigkeit und der Amtsehre getreten, und ein großer Theil der heutigen Bureaukratie hat von dem alten preußischen Bcamtcnthum nichts weiter als den Namen. Zwar.würde die Sache dadurch keineswegs gebessert, wenn jetzt, wo der Begriff der guten Gesinnung sich geändert hat, die altministeriell gesinnten Beamten durch neuministeriell gesinnte Beamte ersetzt würden; seine ganze Stellung nöthigt das Ministerium, auch in dieser Beziehung so schonend und konservativ als möglich zu verfahren: aber diese Enthaltsamkeit muß gewisse Grenzen haben-, wenn nicht die ganze Regierung in Stocken gerathen soll.
Einmal war mit der guten Gesinnung nach den Begriffe» des Herrn vc>n Westphalen eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegen die bestehenden Gesetze verbunden, dagegen war sie unabhängig von der technischen Vorbildung und von der Fähigkeit zu Staatsgeschäften. Es ist in der Reinigung des Beamten'