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und nach neuen Fahrten, neuen Sternen und Blumen, neuen Stürmen und Brandungen und neuer Wonne sehnt sich sein Herz. Der Mensch, wie ihn die Natur in der unendlichen Mehrzahl schaffe wird die Natur eines Eroberers, eines Napoleon z. B. nie begreifen. Mit welchem Maß soll er an diese dämonische Brust herantreten? Er hatte dmch wahrlich als Consul genug erreicht! Hatte er nicht die Wahl unter den Töchtern der Senatoren? War sein Name nicht groß genug, sein Einfluß nicht mächtig genug? Was bringt einen Menschen dazn, das Feldbett zn wählen statt der Dunen, ein Leben zu wagen, das bereits so viel besitzt, Friedensverträge zu zerreißen, fortzustürmen von Reich zu Reich in eine Unermeßlicht'eit hinein, die ihn zuletzt verschlingen muß'? der Moralist zuckt mit den Achseln nnd sagt- diesem Menschen fehlt die Begrenzung. Aber dieser Tugendhaften, die sich selbst begrenzen, ist die Welt voll, wenn die Geschichte sie auch mcht kennt und die Poesie sie nicht brauchen kann . . "
Diese nnd ähnliche Ansichten finden wir bereits in Hosmanns Phantasiestücken; jenem Buch, welches zuerst den Don Juan-Cultus aufrichtete und die Nomantik der Liederlichkeit verherrlichte. Es ist schlimm, daß in Deutschland jeder gute und schlechte Einfall bald zu einer Doctrin abgerundet wird. Es ist nicht das natürlrche Gefühl, welches Alfred Meißner zu jenem Dithyrambus bestimmt, sondern die Doctrin, wie er sie aus Hofmann und Heine gelernt hat. Daß sein natürliches Gefühl viel besser ist als seine Doctrin, davon werden wir uns sofort überzeugen, so bald wir den Schluß seines Romans ins Auge fassen. Nachdem Don Juan Hostiwin einige Jahre in gelinder Blasirlheit zugebracht, nachdem sein dämonischer Trieb der Leidenschaft sich in matte Zerstreuuugssucht abgeschwächt hat, begegnet ihm ein Weib, in dem er sein Ideal zu erkennen glaubt; möglich, daß er sich darin täuscht, wie in seinen frühern Liebesversuchen, jedenfalls ist sein Gefühl diesmal von Heirathsgcdanken begleitet. Er macht der Dame einen Antrag nnd erfährt zu seinem Erstaune» und seinem Schmerz, daß sie nicht mehr Wärme des Herzens genug besitze, um ciueu Manu wahrhaft lieben zu können. Sehr Niedergeschlagen reist er ab nnd begegnet auf eiuer Alp dem Bruder ciues Mädchens, das durch seinen Verrath elend ums Lebeu gekoinmeu. Dieser will sich rächen und den Verführer in den Abgrund stürzen.
Dies war der natürliche Ansgang der Sachlage, der zugleich die poetische Stimmung vollkommen befriedigt haben würde, der Ausgang, den des Dichters natürliches Gefühl ihm eingab; aber nun kommt die Doctrin dazwischen, Don Juan soll ja eben verherrlicht, seine Existenz als die normale dargestellt werden. Das Attentat mißlingt, Don Juan wirft seinen Gegner in den Abgrund. Nun ist es aber wieder mißlich, daß auf der Seele des Helden eine neue Blutschuld lasteu soll. Hier findet Meißner einen ganz wuuderlicheu Ausweg.