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ein leiser Hauch von Humor die Darstellung durchzieht. Der Künstler und seine Freunde werden uns wahrscheinlich grober Unwissenheit beschuldigen und uns empfehlen, die Wandgemälde des pisaner Campo Santo, die Leistungen der älteren italienischen Schulen genauer zu studiren. Dort wird, wenn wir nicht irren, das Vorbild der Steinleschen Werte zu suchen sein. Das Gerücht behauptet nämlich, daß Steinle jener ästhetischen Anschauung huldige, welche in der Rückkehr zur Formenweise der echten Präraphaeliten das Ziel der modernen Kunst erblickt. Zum Glück für Steiules Künstlerrus offenbaren seine besseren Leistungen, daß er Theorie und Praxis wohl zu scheiden weiß, und während er sich zur Lehre der Naturverüchter hält, das Beispiel eines gewandten und fleißigen Naturstudiums gibt. Wir hätten auch die Sache hier nicht weiter berührt, hätten wir nicht jüngst in Erfahrung gebracht, daß es eine beliebte Vertheidigungswaffe einzelner Künstler nnd ihrer literarischcn Trompeter ist. dem tadelnden Urtheile über ein Kunstwerk das Muster irgend eines alten großen Meisters drohend entgegenzuhalten. Findet Kaulbach angeblich in Naphael einen sichernden Schild, warum sollte nicht zu Steinles Gunsten Orcagna oder Bcnozzo Gozzoli angerufen werden. Wie wenig sein Werk mit den naiven, lebenerfüllten Schilderungen der alten Florentiner etwas gemein hat. mögen die Leser selbst beurtheilen. Das erste große Wandbild versinnlicht die kölnische Kunst in der römisch-fränkischen und romanischen Periode. Damit wir nicht darüber im Unklaren bleiben, daß die kölnische Kunst keineswegs, wie es von der hellenischen behauptet wird, in der unmittelbaren Heimath geboren wurde, wird der landschaftliche Hintergrund zur symbolischen Darstellung der Vorgeschichte der kölnischen Kunst bennizt, ihr Stammbanm ans diese Art geliefert. In der linken Ecke begegnet unser Auge deu ägyptischen Pyramiden, an welche sich die Äkropolis von Athen und das römische Capitol anreihen. Schneebedeckte Berge deuten den geo- graphischen Weg an, den die Kunst 'nahm, um von Rom durch das Alpen- gcbiet zum rheinischen Siebengebirge zn gelangen, das wir an der rechten Ecke des Bilds gewahren. Der Eindruck, den diese Zusammenstellung von Linien und landschaftlichen Fragmenten (als Vorbild dienten ohne Zweifel die vergleichenden Höhentabellen in geographischen Werken) auf das Auge ausübt, braucht gewiß nicht näher beschrieben zu werden. Dieser „symbolisch- landschaftlich-historische" Hintergrund schließt die Hanptscene oder richtiger gesagt die verschiedenen Gruppen ein, welche die ältere kölnische Knnstentwickiung charatterisiren svllen. In der Mitte steht die heilige Helene, welche aus den Händen eines Baumeisters den Entwurf zum Gereonsdomc prüfenden Auges entgegennimmt, mehr im Vordergründe links bemerken wir Kaiser Konstantin aus dem Throne, hinter welchem der lelüe ubische Barde ernst horchenden Kriegsgesellen Lieder singt. In Stellung und Bedeutung Konstantin ent-