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Das englische Gerichtsverfahren und der Bernhardsche Proceß.
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ander zu stellen, und dürfte der Vergleich auch noch in manchen andern Be­ziehungen belehrend sein.

Nur der Orientirung halber beginnen wir mit einer kurzen Uebersicht der hauptsächlichen, in dieser Beziehung gleichmäßig auf dem Continente zur Gel­tung gekommenen Grundsätze. Das Vorverfahren liegt hier in den Händen von rechtsgelehrten Beamten, es ist veranlaßt zunächst durch einen öffentlichen Ankläger oder einen Anklagcsenat, und gehandhabt durch einen sogenannten Jnstruc- tionsrichter, der den Angeklagten und die Zeugen im Geheimen verhört, ihre Aussagen zu Protokoll nimmt und dadurch das Material zur eigentlichen öffent­lichen Anklage liefert. Diese umfaßt zunächst den vorhergegangenen Lebenswandel des Angeschuldigten, uud sodnnn eine Zusammeustellung aller gegen denselben in dem einzelnen Falle sprechenden Thatsachen. Aus Grund des Protokolls und der Anklagcacte wird der Angeklagte und werden die Zeugen noch ein­mal in Gegenwart der Jury vom juristischen Präsidenten des Gerichtshofs in Verhör genommen, und hat oft weniger das Gesetz als der regelmäßige Ge­brauch den. Letztern die Befugnis; verliehen, die schriftlich vorliegenden und die jetzt neuerlich gegebenen Aussagen der Vernommeneu wo nöthig gegen­einander zu contrastiren. Ein Mitaussragerecht des Vertheidigers, des An­geklagten oder gar der Geschwornen existirt, wenn überhaupt, doch nur unter sehr beschrankten Voraussetzungen und meist nur durch den Mund des Prä- fidentcn, während dasselbe umgekehrt dem öffentlichen Ankläger rechtlich oder factisch zusteht. Nun erfolgen die Beweisführungen von Vertheidigung und Anklage und das Rcsumv des Präsidenten, letztere, meist aus einer Zusammen- sassung des Factischcn. wie es bisher sich nach der Meinung des Sprechenden herausgestellt hat, bestehend, und endlich der Wahrsprucb der Geschwornen, das Resultat ihrer innern Ueberzeugung (convieticm), nicht eines auf concreten Beweismitteln bernhenden Vernunstschlusses. Einstimmigkeit der Geschwornen wird nicht immer gefordert und häufig die zu geringe Majorität derselben bei einem Spruche durch richterliches Erkennen ersetzt oder aufgehoben. Wer fran­zösische und deutsche Criminalprvcesse namentlich bei Staatsverbrechen gelesen hat, dem wird in den meisten Fällen jener gehässige, inquisitorische oder gar feindselige Ton aufgefallen sein, den man während der Verhandlungen gegen den Angeklagten für erlaubt erachtet, man sucht ihn grade wie im geheimen Verfahren in Widersprüche und Geständnisse zu verwickeln, um ihn womöglich aus seinem eignen Muude zu verurtheilen und fast allenthalben ist ein be­sonderer Nachtheil damit verbunden, wenn er über alle oder einzelne Fragen die Antwort verweigert. Ueberhaupt läßt sich die cvntinentale Jury vielmehr als der Schlußsteiu, wie als die Grundlage des Criminalverfahrens ansehen, während das geheime Vorverfahren diese Grundlage bildet, aber sast mit allen Mängeln des frühern geheimen und schriftlichen Eriminalvcrfahrens be-

Äreiizlwwi It. 1858. 27