Beitrag 
Wochenbericht.
Seite
158
Einzelbild herunterladen
 

158

Selbstbiographie das Lcbm eines Pastors dar, von der Wiege bis zu seinem Jubiläum. Der Pastor ist der Sohn eines weisen und nachdenklichen Dvrshirtcn, erhält durch den Prediger des Ortes seinen ersten Unterricht, verlobt sich als Student, hat die Leiden eines alten Candidatcn durchzumachen, verliert während dieser Zeit seine Braut durch dcu Tod, wird endlich Pastor in einer verwahrlosten Gemeinde, heiralhct ein braves und liebenswürdiges Mädchen, Pastorstvchter, verliert leider auch sie und seine Kinder durch den Tod und schließt als einsamer Greis mit der Beschreibung seines Amtsjubi­läums das Buch. Unter allen Nomaneompositivnen ist die des biographischen Romans am lockersten. Es ist dabei der Willkür des Darstellers so viel Raum gelassen, wie »ur irgend möglich, und dieser wird deshalb um so mehr die Pflicht haben, sich aus Dar­stellung solcher Momente zu beschränke», welche einen wesentlichen, bildenden Einfluß aus das Leben des Helden ausgeübt haben. Und wenn sich der Verfasser bei einer solchen Lebensbeschreibung nicht die Ausgabe stellt, irgend eine interessante Charaktcrentwickclung oder ein durch eine einheitliche Idee getragenes nnd bewegtes Menschenleben darzustellen und so durch seiuc Analyse des menschlichen Gemüthes oder durch eine Darstellung von dämonischem Walten des Schicksals eine Art von innerer Einheit hincinzubriugeu, so wird eine solche Erzählung kaum den Eindruck einer Knnstschöpfung machen und in die unsichere Klasse der Untcrhaltuugslecturc fallen, welche zwischen Beschreibungen der Wirk­lichkeit und freien Schöpfungen mitten innc stehen und deswegen nach keiner Seite hin vollständig befriedigen. Das wirkliche Leben cincS protestantischen Dorfpsarrers in einer bestimmten Gegend Deutschlands, von ihm selbst erzählt, kann für die Gegenwart und für alle Zukunft Werth haben, weil wir möglicher Weise aus der genaue» und ehrlichen Schil­derung der Wirklichkeit interessante Zustände des Volkes, s'cinc Bildung, sein Gemüth, die Localitär u. s. w. in einer bestimmten Zeit erhalten. Aber diese Art von Interesse wird schwächer von dem Augenblick an, wo der Leser nicht mehr genau unterscheiden kann, was der Wirklichkeit entnommen und was Erfindung des Schriftstellers ist. Offenbar hat H. Pröhlc die Absicht gehabt, das trcne Abbild eines wirklichen Lebens zu geben, und viele Einzelheiten sind höchst charakteristisch und interessant. Aber so bescheiden auch seine Erfindung auftritt, man empfindet sie doch überall heraus und ist deshalb genöthigt, au das Buch die Anforderung künstlerischer Compositivn zu machen. Diese aber ist unvollständig. Pröhlc selbst hat offenbar das wirkliche Leben der Landlcntc fleißig beobachtet, sich viel um Sitten, Gewohnheiten und AnschauuugSwcisc des Volkes gekümmert und er hat ein herzliches Interesse an den vielen ernsten und launigen Zügen, welche uns, als Einheit zusammengefaßt, ein Bild von dem Vvlkscharaktcr geben. Aber es ist ihm nicht vollständig gclnngen, den reichen Schatz von Anschauungen und Beobachtungen aus der Wirklichkeit für die Zwecke der Erzählung zu verarbeiten. Was der Wirtlichkeit entnommen ist uud was er erfunden hat, steht bisweilen wie gc-' trennt neben einander. Die Anekdoten auS dem Treiben des Harzdorfcs, in welchem der Held geboren wurde; die Figur des alten Hirten, viele Züge aus dem Leben des Helden, seine Noth als Kandidat n. s. w. sind einzeln betrachtet, sämmtlich anschaulich und lebhast erzählt, aber als Theile einer Compositivn betrachtet, haben sie keine noth­wendige innere Beziehung zu eiuaudcr; ei» großer Theil dieser Einzelheiten könnte ebenso gut fortbleibe», und da neben Vielem, was charakterisiren hilft, Manches steht, was nicht interessant ist und nicht zur Sache gehört, so hat der Leser auch die Empfindung, daß der Verfasser nicht zweckvoll erzählt. Indeß ist die einfache und anspruchslose