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Weimarische Zustände. I.
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bitten der Witterung ausgesetzte Gestalt, uud sind ohnedies selbst an der ruhigen Betrachtung verhindert. Wir sind also von der Natur selbst bei uusern Denkma­leil auf die Architektur hingewiesen, die dadurch, daß sie bildlichen Darstellungen einen weiten und allseitigen Hintergrund gibt, dein Künstler sür diese größere Freiheit uud Mannigfaltigkeit gestattet, so daß die künstlerische Veranschaulichung des Charakters und der Bedentnng einer historischen Persönlichkeit nicht auf die einfache Gestalt concentrirt zn sein braucht. Darin also, daß man abgeschlossene Räume zum Andenken an große Männer bestimmt, liegt ein richtiger Instinkt. Nur sollte mau sich dabei von allem Reliqnienwesen emauzipiren, uud solche» Ge­bäuden einen großartigen, öffentlichen Charakter geben, statt sie wie Privatschens- würdigkeiten zu behandeln uud uur für einzelne Besucher uud Liebhaber zu öffnen. Daß man sich aber dann nicht an die Wohnhäuser und Wohnzimmer der gefeier­ten Männer, wie sie nun eben sind, binden darf, sondern eine würdige, dem Zwecke der Feier gemäße Architektur beanspruchen muß, versteht sich von selbst. Anderer­seits würden Gebäude mit der abstracten Bestimmung, der Erinnerung einer ge­geschichtlichen oder literarischen Große zu dienen, etwas Unnatürliches haben, da es das Eigenthümliche des architektonischen Knustwerkcs ist, einen realen, äuße­ren Zweck zu haben. Ein abstraktes Gebäude, eine Umgebung ohne ein Umgebenes, eine Bühne ohne Handlung, ein Gehäuse ohne Inhalt ist ein Unding. Die bild­lichen uud symbolischen Darstellungen aber, welche an die Bedeutung einer Per­sönlichkeit crinueru, dürfen den Charakter einer Ausschmückung der Räume nicht überschreiten. Hieraus uud aus der Forderung, daß solche architektonische Denk­male nicht unr jedem Besucher offen, sondern an sich öffentlich sind, ersteht die andere, daß sie uubeschadet der Weihe ciueö großen Namens allgemeinen Zwecken dienen, und für Versammlungen, Berathuugeu u. s. w. bestimmt sein müssen.

Was die Literatur in Weimar betrifft, so besitzt cS einen reiueu Hofdichter, der außer den. fürstlichen Geburtstagen, Kindtansen und Vermählungen etwa noch die Anwesenheit der Jenny Lind oder das Aufblühen einer Aloe besingt, und einen unreinen, das heißt einen solchen, der zugleich Vvlksdichtcr ist, bürgerliche Familienvorfälle auch für Ereiguisse hält, mehr wie ein Meistersänger, als wie ein Tronbadour erscheint und eine ungewöhnliche Fertigkeit in Toasten besitzt; ferner einen Dramatiker, von dem neulich ein Stück:Friedrich mit der gebissenen Wange" unter vielein Applaus über die Leipziger Bühne gegangen ist. Schreiber dieses hat es nur vorleseu hören und zwar vom Verfasser selbst, was weniger wie die eigene Lektüre oder die Anschauung ans der Bühne zu einem Urtheil berechtigt. Sicherlich aber ist dem Stück des Gedankens Blässe nicht angekränkelt, da es von Handlung wahrhaft strotzt. V-