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Deutsche Reisende in der Fremde.
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Herr Craigher, der seine Schrift dem Erzherzog Johann gewidmet hat; er fun- girt als belgischer Cvnsnl in Trieft. Wenn uns daö vorige Werk in der ansprnch- losen, ungezwungenen Weise der alten Neisebeschrcibcr ans den Zeiten Nicolai's eine mögliche Fülle vielseitiger Anschauungen zu geben sich bemüht, so tritt hier das stoffliche Interesse hinter der poetisch-romantischen Intention zurück.Wer von der Natur das Geschenk einer empfänglichen und leicht erregbaren Einbildnngs- kraft erhalten hat, den begleiten solche Eindrücke durch das ganze Leben. Wenn eine religiöse Erziehung ihn früh mit den Lehren uud der Geschichte des Ehristen- thumö vertraut machte, werden Rom und Jernsalem immer das Ziel seines Stre- bens sein und mit magischen Reiz ans ihn wirken." In diesem Sinne wird der Orient mehr empfnuden als dargestellt, und die Sprache streift überall an's Rhe­torische und selbst Lyrische.

Die Reise geht über Corfu nach Athen, von da nach Alexandrien, Kairo; eS folgt ein längerer Aufenthalt iu Palästina, wo alle Stätten besucht werden, die der Fuß des Herru betreten; dann über Syrien nach Athen, Constantiopel, Malta, Neapel uud Rom.

Die Natur des Werks, das mehr auf das Gemüth, als den Verstand berech­net ist, bringt es mit sich, daß sich die Darstellung mehr auf Landschaften, Tem­pel, Nninen uud dergleichen einläßt, als auf den lebendigen Markt dcö Lebens. Ein romantischer Dnft verbreitet sich nebelhaft über die wunderbaren Scenen des Orients, uud läßt mehr ahnen als sehen. Hin und wieder taucht einmal eine nüchterne politische Reflexion in dem träumerischen Schimmer des romantischen Ge­mäldes aus. Mit Virtnosttät wird namentlich Alles, was einen elegischen, sehn­süchtigen uud religiösen Anstrich hat, aufgesucht, und znweilen wird man an Schle­gel's Ausspruch erinnert, daß man, um die wirkliche Religion zu finden, zu der Europa klimatisch unfähig sei, nach dem Orient pilgern müsse, wie man um der Kunst willen nach Rom ziehe. Das Gefühl, daß man in Europa gar zu wenig betet, söhnt den gewiß sehr christlichen Verfasser in einem gewissen Sinn selbst mit dem Islam ans.Was auch ihre Gegner sagen mögen, so viel ist gewiß, daß auch die orientalischen Völker den Schöpfer und Erhalter aller Dinge, und zwar mit einer Hingebung, Inbrunst und Einfalt des Gemüthes anbeten und verehren, an der wir Christen uns öfter ein Beispiel nehmen könnten. Ich will nicht geradezu sagen, daß im häufigen Beten der Morgenländer der wahre tiefere Geist ihrer Andacht liege; allein gerade weil wir so gerne alle Formen verbannen, uud die bloße Erhebung des Gedankens zu Gott für genügend halten, geschieht es nur zn häufig, daß wir die nöthige Weihe und Innigkeit verlieren, und mit der Zeit käl­ter und gleichgültiger werden." Unter diesen Umständeil läßt sich erwarten, daß im Thal Iosaphat den Pilger eine gewisse Extase befällt.Tiefe feierliche Stille herrschte in der Grotte, als wir durch die wenigen Stnfeu, die hinabführen, schüch­tern niederstiegen. Matt brannteil die Kerzen am kleinen Altare, wie das erlö-