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Tagebuch.
Seite
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T a g e b u ch.

i.

Die Gelehrten-Congresse.

Wenn aus festlichen Zusammenkünften das Heil der Wissenschaft und des prakti­schen Lebens hervorgehen könnte, so müßten beide in unsern Tagen die riesenhaftesten Prvgressen gemacht haben. Wir haben zwar keine Chartisten-Meetings, keine Nepealver- sammlungen, keine Jacvbinerklubbs, es ist auch nicht erlaubt, in gemeinsamer Berathung Petitionen an die Krone, die Stände oder sonst wohin zu entwerfen; dagegen Ver­sammlungen, in denen entweder gar kein bestimmter Zweck, oder wenigstens ein sehr entfernter und namentlich mit der Politik nicht zusammenhängender berathen wird, wer­den nicht nur von der Polizei geduldet, sondern selbst von hohen und höchsten Herr­schasten protegirt. Was für eine Masse von Geist ist in diesen Herbsttagen in Fluktua­tion gewesen! In Aachen sind die deutschen Naturforscher und Aerzte zusammengekom­men, und haben mit großer Aufopferung zu physiologischen Zwecken sich den gastri­schen Freuden hingegeben, was Männern, denen die Natur eigentlich nur ein Material zu mikroskopischen Untersuchungen ist, gewiß sehr schwer angekommen sein wird; die italienischen Aerzte und Naturforscher haben in Venedig gegessen und getrunken, und der Anblick der verlassenen Paläste, auf deren Schwelle Gras wächst, hat sie natürlich an alle die Herrlichkeit ihres Vaterlandes erinnert nnd ihre Sympathien für das jung aufstrebende Italien gestärkt. Aehnliche Gefühle werden bei den preußischen Chirur­gen in Berlin und bei den Thicrärztcn in Braunschweig wohl nicht rege gewor­den sein. Dagegen regte sich bei den deutschen Land- und Forstwirthen in Kiel wohl der stattlichste und respcctavclstc aller Kongresse, die nächst den diplomatischen in unserm lieben Vatcrlandc stattfinden ein gewisses Nationalgcsühl; als man die Fahnen der verschiedenen dort versammelten deutschen Staaten neben einander aufstellte, nnter dem Schutze der hohen dänischen, verlangten die Schlcswiger auch die Ausrich­tung der ihrigen, und es wäre zum Handgemenge gekommen, wenn man nicht den Mittelweg eingeschlagen hätte, alle Farben abzunehmen; doch soll einiger Pnlvcrranch dadurch veranlaßt sein. Die Philologen in Basel haben nicht Salpeter verpufft, son­dern attisches Salz in lieblich feinen Witzen um sich gestreut; die Nealschullehrcr in Gotha haben in gemüthlicher Heiterkeit Cercvis getrunken, und sich geneigt erklärt, auch die Gymnasiallehrer bei sich aufzunehmen. Was die Architcctcn in Mainz gemacht haben, ist mir unbekannt; es war eine stille anspruchslose Wirksamkeit. Desto lauter scholl der Männergcsang auf den waldigen Hohen von Eisenach, und wahrscheinlich wird die Frage, was denn eigentlich des Deutschen Vaterland sei? zum zehntausend-