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Censoren und Censur in Wien.
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Censoren und Censur in Wie«.

November.

Drei Censoren sind in den letzten vier Wochen aus dem Leben gestrichen worden: Nupprecht, Kuffner und Hohler. Wer wird ihre Stellen ersetzen? Die deutschen Zeitungen meldeten unlängst aus der preußischen Stadt Naumburg, daß sich dort nach dem Tode des Cen­sors kein Mann vorfand, der zu diesem Amte steh hergeben wollte. In solche Verlegenheiten zu gerathen brauchen wir hier nicht zu fürch­ten. Wenn Baron Kübeck statt eines Anlehens von 20 Millionen Gulden mit 20 Millionen Censoren sich begnügen könnte, die wären in Oesterreich bald aufzutreiben. Es muß ein außerordentliches Be­wußtsein, eine eigenthümliche Lust gewähren, Censor zu sein; der Hof­rath Köhler z. B. (und Sie wissen, bei uns ist diese Stelle eine ganz andere als die preußische Hofrätherei) bezieht als Hofrath der Salinen ein Gehalt von 4000 Fl. C.-M. und als protestantischer Consistorial- rath obendrein noch 700 Fl. C.-M. Und doch ist er nebenbei auch noch Censor! Ist es glaublich, daß ein lediger Mann, bei sonstigem Privatvermögen und einem so reichen Einkommen, für die Summe von 30« Fl. C.-M. (denn dies, höchstens 400 Fl. ist das jährliche Gehalt eines Censors -) eine solche Verantwortlichkeit und eben nicht den Dank der Bestgesinnten auf sich laden würde, wenn nicht eine besondere Passion für das Censoramt das vorherrschende Motiv wäre? Die er­wähnten drei todten Censoren wareil noch nicht beerdigt, und schon lagen neun Bittgesuche im Einreichungsprotokolle der Polizeihofstelle, darunter das des gesinnungs- und salbungsüberfließenden Redacteurs desZuschauers", Herrn Ebersberg, ferner ein Gesuch des Statisti-

*) In Oesterreich wird der Censor nicht wie in Deutschland von den Schrift­stellern und Buchhändlern bezahlt, sondern von der Regierung. Darin ist wenig­stens Konsequenz!