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Tagebuch.
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besiegt und vernichtet, von der Tücke des Klimas unterstützt, ein Heer derselben Soldaten, die am Rhein, in Italien, an den Pyramiden hun­dertfache Triumphe errungen und entreißt diePerle unter den Colonier»" demselben allmächtigen Manne, vor dem alle Fürsten Europas zittern.

Und durch alle diese Kampfe, furchtbar wie sie vielleicht noch nir­gend gekämpft wurden, durch diese ganze Entwickelung, selbst in ihrer heu­tigen Fortsetzung, zieht sich eine durchaus einzige Eigenthümlichkeit; die streitenden Parteien sind hier nicht blos durch Interessen, sondern durch eine Naturverschiedenheit, durch die Race geschieden.

Die Geschichte Hayti'ö ist zugleich ein großes Stück Naturge­schichte des Menschen. Sie führt einen Beweis, schlagender denn alle Gründe, welche bisher die Wissenschaft für und wider geltend gemacht, den Beweis, daß alle Formen des Menschentypus gleichermaßen befähigt sind, theilzunehmen an den höchsten Genüssen, mitzuwirken an den höch­sten Leistungen unseres Geschlechts. Denn sie zeigt uns, wie unter den allerungünstigsten Bedingungen die verachtete Race, obgleich nicht nur durch keine Schule der Bildung langsam emporgeführt, sondern sogar mit grauenvoller Absicht verwahrlost, sich mit einem Ruck emporringt aus der aufgedrungenen Verworfenheit und aufs Tiefste ergriffen und begeistert wird von dem Gedanken der Freiheit. Dieselben Männer, welche man ihrer wilden Heimath entrissen, um sie als Bieh zu verkau­fen, die der Uebermuth der Weißen für ein Mittelding zwischen Mensch und Affe erklärt, dieselben Manner sehen wir, den Rücken noch zernarbt von der Sklavenpeitsche, auftreten als begabte Feldherren und geniale Begründer einer neuen, völlig unvorbereiteten gesellschaftlichen Ordnung.

Gewiß, wenn irgend eine, so ist diese Geschichte, deren Charakter ich mit flüchtigen Strichen angedeutet, unserer Theilnahme und wissen­schaftlichen Betrachtung würdig.

Doch außer dem Interesse, das sie rein um ihrer selbst willen ver­dient, hat sie noch ein zweites nicht minder großes, das auf ihren Be­ziehungen zu den Fragen beruht, die jetzt die alte Welt gewaltig bewegen.

Der Nerv dieser Geschichte ist die Ueberwindung der Sklaverei. Die Sklaverei beginnt aber nicht erst mit dem Negerhandel. Dieser ist im Wesentlichen und seiner Entstehung nach nichts Anderes, als die euro­päische Leibeigenschaft, nur in vollendet ausgeprägter, schamlos enthüllter Gestalt nach der neuen Welt übertragen. Ebenso aber Hort die Sklave­rei noch nicht auf mit der Aufhebung des Menschenhandels und der Selbstbefreiung oder Freilassung der Schwarzen. Die Zahl der weißen Sklaven ist unvergleichlich größer und für ihre Emancipation wird noch nichts gethan. Während die amerikanische Sklaverei eine mehr gewalt­sam und plötzlich eingeführte ist, ist die europäische, der nur der einge­standene Name, nicht die Gräßlichkeit fehlt, eine natur- oder richtiger kulturwüchsige, durch den Entwickelungsgang der Industrie allmälig erzeugte.

Was hierin auf Hayti geschehen, ist ein sprechendes, warnendes Beispiel für Europa.

Europa steht auf einer schwindelnden Höhe der Cultur, aber ihre