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selten um die Heimath, der er entsprossen, doppelter Zorn gegen den starren, unerbittlichen Winter, der dort mit eiserner Faust tausend erblühen wollende Weltlenze zerdrückt. Aus diesen zu Grunde gegangenen Lenzen hat sich Grün, der einzelne Strauch, der rosenübersaete, nachtigallenbewohnte, gerettet, herrlich genug, um die Pracht des vernichteten Ganzen genugsam ahnen und bedauern zu lassen. —
Die folgenden Werke Grün's waren eine Sammlung von Dichtungen „Schutt", in denen sich der Gesichtskreis des Dichters bis zu einer gewissen philosophischen Ahnung erweiterte, welche die endliche Ausgleichung aller irdischen Kämpfe und das Versenken der Menschheit in einen ewigen äußern und innern Frieden, der Religion und Freiheit zugleich ist und deshalb beide nicht mehr zu nennen braucht, in Aussicht stellt. Die geniale Gabe, den äußern Stoff mit den blühendsten Gedanken-Arabesken zu umkleiden, der ganzen Schöpfung gleichsam zum Gefühl ihrer Größe und Schönheit zu verhelfen, zeigt sich in diesem Werke bis zur Virtuosität ausgebildet. Die Phantasie baut sich aus übriggebliebenem Schutt das einst Vorhandene noch blühender auf, als es in Wirklichkeit war. So klettert hier der Dichter an dem verfallenen venetianischen „Thurm am Strande" empor, die einstige Dogenrepubltk zu überschauen und eben aus der Brust des Gefangenen schlägt ihm die Muth für die Freiheit in um so Hellern Flammen entgegen; so läßt er durch die „Fensterscheibe" den letzten Rest eines Klostergebäudes das ganze Licht seines Geistes dringen und es zeigt ihm ebenso klar die Weltbedeutung des Mönchthums mit allen Schrecken, wie die stille Lust und das selige Genügen des der Welt entsagenden Eremiten. Das Schiff „Ciucinnatus" wird ihm die Brücke zwischen dem glänzenden Schutt Pompeji's, über welchen Jahrtausende hin- fchritten und der erstgeborenen, erst in die Weltgeschichte eingetretenen Republik der neuen Welt. Auf den Trümmern Palästina's endlich begeht er „fünf Ostern" in durch Jahrhunderte getrennten Zeiträumen und läßt auf diesen orientalischen Schutt einen sinnreichen Widerschein occidentalischer Geschichte und Entwicklungskämpfe fallen. Prophetisch steht er diese Kämpfe versöhnt, das Schwert ist wieder Pflugschar und das Marterholz vererbt nicht mehr auf die Welt die Schmerzen, die es vorstellt, sondern ist unter den vielen Rosen, die es umblühen, unkenntlich geworden.
Einige Zeit später erschienen die gesammelten Gedichte, in kleinern Bildern alle angedeuteten Vorzüge seiner Muse abspiegelnd, jugendfrische, eigenthümlich rührende Naivetät des Gemüthes, lebendige Dar»
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