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Briefe von Goethe an Frau von Grotthus.
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um mich herum aufbauen, hervorgesucht, habe solches mit Vergnügen gelesen, und halte die Aufführung nicht ganz unmöglich; doch wünschte ich, der Verfasser thäte vorher noch Folgendes daran:

1) Könnte er eine Anzahl Verse herausnehmen, oder, wie man sagt, streichen; so würde es dem Stück günstig sein, weil es etwas zu lang spielte. Ich fühle zwar selbst, daß es schwer halten wird, weil die Scenen gut gearbeitet sind, und sich nichts Ueberflüssiges findet; allein hier und da läßt sich doch wohl eine kleine Amplifica- tion und mehrere Ausführlichkeit wegnehmen, ohne daß das Ganze Schaden leidet.

2) Wären die vier Krieger in zwei Personen zusammen zu ziehen, und diesen bestimmte Namen zu geben. Kein guter Acteur mag gern als bloßer Statist erscheinen, und das, was die Krieger zu sagen und zu thun haben, ist zu bedeutend, als daß man es wagen sollte, durch vier Personen es ausrichten zu lassen, wo gewöhnlich einer oder der andere schwach bleibt oder gar sich lächerlich macht.

3) Nun noch ein Hauptpunkt. Der Verfasser hat wohl gefühlt, daß er bei dem Gelübde Jephtha's sich besonders angreifen müsse, und hat es auch deshalb, damit es sich vom Andren gleichsam absondere, in gereimte Verse gebracht; allein aufrichtig zu sagen, so hat mir diese Stelle zu wenig Gehalt und die gereimten Trochäen zu wenig Würde. Die Achse, um die sich das ganze Stück dreht, sollte etwas derber sein. Dieses legen Sie dem Verfasser an's Herz, und er wird leicht fühlen und einsehen, wie es gemeint ist.

Soviel für heute. Ich fuge weiter nichts hinzu, damit diese Sen­dung nicht aufgehalten werde. G.

7.

Weimar, den IS. Februar I8II.

Es ist nichts billiger, als daß ich mit der Recension der vortreff­lichen Gaben anfange, die uns nach und nach durch Ihre Güte ge­worden sind. Den kostbarsten Spickgänsen folgten die trefflichsten San­der, und diesen nunmehr der beste Kaviar, welcher jemals gefischt und eingesalzen worden. Durch Ihre Nachricht von dem Einweichen deS getrockneten habe mich wirklich auf einen hohen Grad der Geschmack- kritik erhoben gesehen, so daß ich einen, ehe der Ihrige ankam, hier an Tafel genossenen wenigstens für mich im Stillen für aufgcftischt erklären konnte. Haben Sie für diese Gaben den besten Dank, und