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Thaten, die eine glücklichere Epoche herbeischaffen halfen, kaum so dankbar zurückblicken, als auf das stille Wirken Weniger, die bescheiden dafür sorgten, daß in den staubaufwirbelnden Kämpfen der Sinn für die eigentliche künstlerische Schönheit noch wach genug blieb, um die neugeborne bessere Zeit auch ästhetisch genießen zu können. Mögen sich Viele dazu berufen fühlen, mit rüstigen Händen und ohne Furcht sich zu besudeln, unter dem lärmenden Arbeitertroß zu stehn, der den Bau der neuen Zeit aufführen will, mögen sie für und wider an dem tobenden Gezänke theilnehmen, das den Bau fördern helfen soll: der einstige Bewohner desselben wird doch weniger ihrer gedenken, als der stillen Künstler, die schon damals das Körnchen zum Rosengarten pflanzten, dessen Lauben ihn jetzt üvpig umranken.
Soll ich noch von den einzelnen Dichtungen Adalbert Stifter's sprechen, von den Stoffen, die er behandelt, von den Gestalten, die er uns vorführt? Morgenländisch beuge ich mich vor dem Aufgang des Genies, gleichgiltig, welchen Gegenstand es eben beleuchte, in solchem Lichte wird er immer glänzend erscheinen. Stifter kennt den Menschen, weil er die Natur kennt, in ihrer Schönheit, wie in ihren Schrecken. So sieht er im Menschenherzen nicht nur die idealen Blüthen, auch den Moder und die unheildrohenden Klüfte, aber klaren Auges blickt er in jeden Abgrund, er weiß, daß kein Ort so finster, um nicht einen Lichtkörper, keine Brust so dunkel, um nicht einen Funken Liebe zu enthalten. Am liebsten aber liegt er doch, kindisch träumend, ausgestreckt auf dein Grase und bemüht sich die Sprache zu studiren, durch welche er den ziehenden Wolken wie den emsigen Käfern verständlich werden könnte.
II.
Dörne über «icn.
Es war ein trüber Tag im Jahre 1837; der Winter sträubte sich noch despotisch-hartnäckig gegen die heranziehenden Frühlingslüfte, gegen das Nahen der wehenden Freiheitöfahnen, die ihn ver-