Literarifche Blätter aus Oesterreich.
Von
Hierouymus L o r m.
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Adall'crt Stifters.
Ein Zufall hat Dich gezwungen, den mit Goldstaub überstreuten Moder einer großen Stadt zu verlassen, und Du dünkst Dir fast kein Mensch mehr, weil Du den gewohnten Veitstanz der Zeitbewegungen, der sich in den Convulsionen deS Hungers, wie in den Verzweif- lungSgebcrden der Uebersättigung äußert, nicht mehr vor Augen haben kannst. In einem Dorf übernachtest Du und sehnst Dich weg mit dem ersten Morgenstrahl, Dein Weg führt in die Berge, bald hast Du den rechten Pfad verloren, aber Du denkst nicht daran, ihn wieder zu gewinnen. Ein Segen überströmt Dich, wie einen plötzlich Sehendgewordenen. Du setzest Dich auf ein Felsstück und es wird Dir zu Muthe, als wärest Du in diesem Augenblicke erst, aber schon mit wachem Bewußtsein und Hellem Verstände, auf die Welt gekommen. Die Sonne scheint Dir bis in's Herz und auf das Rauschen der Bäume antwortet, unabhängig von Dir, Deine Seele mit einer Stimme, die Du bisher nicht in ihr vermuthet hättest. Du erschrickst vor Dir selbst, der mit der Natur innig ver- schwisterte Gott in Dir erwacht, wird unruhig und schlägt die Augen auf, Dein gewohntes Selbst aber fühlt sich hier als ein anders redender Fremdling; an Deinem Haupte, das weltumwälzende Gedanken brütet, fliegt der nestbauende Vogel vorüber, er vollbringt sein Tagewerk ohne Deinen weisen Rath; unbekümmert um den Phi-
') Studien von Adalbert Stifter. Pesth 1844. 2 Bde.
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