Beitrag 
Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs. XII.
Seite
345
Einzelbild herunterladen
 

345,

habe, daß Er diesen Vorzug durch seine Herzensgüte und seine hohe Intelligenz verdient. Wenn ich also durchaus kein Prinz wer­den kann, so verzeihe ich es ihm, daß Er es geworden ist, weil es keinen Unwürdigen getroffen hat. Seine Dienste, die er dem Staate in einer bescheidenen Anspruchslosigkeit rastlos leistet, hätten ihm auch ohne seinen hohen Rang eine Stellung, Achtung und Würden ver­schafft, und wer weiß, ob der Prinz Ludwig als Staatsrath nicht gemächlicher leben würde, wie Er als Erzherzog lebt?

Mein Herr. Unsere Prinzen sind nicht nur wahre Menschen­freunde, herablassend und thätig, sondern sie geben uns auch durch ihre Familientugenden und durch ihre Genügsamkeit ein schönes Beispiel.

Lieutenant. Das wird Niemand in Abrede stellen, und darum erfreut sich die ganze kaiserliche Familie einer allgemeinen Verehrung. Aber auch in anderen höheren Ständen findet man Personen, wo man sich bei aller Gleichheitsliebe nicht erwehren kann, ihnen das zufällige Vorrecht der höheren Geburt vom Herzen zu gönnen.

Mein Herr. Also Sie sind doch zuweilen ein Aristokrat?

Lieutenant. Ich erachte die cmgeerbten Rechte keineswegs für recht und die angebornen Rangstufen nicht als nothwendig; ich glaube sogar, daß ich diese Meinung haben würde, wenn ich selbst ein ge- borner Graf wäre. Nachdem aber einmal diese Unterschiede der Stände bestehen und mit unseren Institutionen und Staatsverfassun­gen so innig verwebt sind, daß, ohne gewaltsame Zerrüttung aller gesellschaftlichen Bande, an deren Abschaffung für jetzt nicht zu den­ken ist, so würde ich jeden Adeligen einen Narren schelten, der sich seines angebornen Adels unnützerweise selbst entäußern würde, und wäre ich ein geborner Graf, ich würde es gewiß bleiben lassen. Aus diesen Ursachen bin ich allerdings ein Aristokrat und hasse kei­nen Höhergeborenen. Wenn die Niedriggeborenen die Hochgestellten hassen, so ist nicht eine billige oder gerechte Entrüstung über die usurpatorisch eingeschlichene Gleichheitsverletzung der beleidigten Men- schenrcchte die Ursache davon, sondern ein niedriger Neid, daß uns der Zufall gewisse Vorrechte versagte, deren sich Andere ohne Mühe erfreuen, und die wir erst erstreben müßten, wenn wir ihrer theil­haftig werden wollten. Wenn dieses fruchtlose Eindrängen der durch

Greitjbi-tc» löit. II. 44