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Der Schachtelmann : zweite Abtheilung.
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Birkenfeld. In dem Städtchen herrschte große Freude; es hatte feine Merkwürdigkeit, von der jedem Fremden wunderliche Dinge er­zählt worden waren,'es konnte wieder neue Mären ersinnen, abenteuer­licher als jene, es konnte ruhiger sich zum Schlummer niederlegen und kühner am Morgen erwachen, denn der Schachtelmann machte wie­der seinen geheimnißvollen Gang zu der ungeheimnißvollen Stunde.

Hätte Birkenfeld einen säbelbeinigen Trompeter gehabt, ich glaube, der hochweise Magistrat hätte es für zweckdienlich gehalten, diese wichtige Begebenheit durch ihn der Welt zu verkünden oder doch wenigstens die Stadtchronik mit dem heutigen Tage als einer neuen Epoche beginnen zu lassen. Allein, bedürfte es jemals solcher rau­schenden Instrumente und des mißtönenden tvtr tonx, tetr ten^! um eine Neuigkeit mit der Schnelle des Windes in Birkenfeld zu verbreiten?

Jetziger Zeit, d. h. in dem Augenblicke, wo ich diese Begeben­heit aus dem Anfang meiner ärztlichen Laufbahn zum Nutzen und Frommen meiner beiden Enkel niederschreibe, welche als ein Paar nied­liche Mädchen dort am Tische sitzen und für den guten Großvater wärmende Pantoffeln nähen, jetziger Zeit, wo Dampfmaschinen und Eisenbahnen bekannte Dinge sind, kann so etwas nicht auffallen; es fiel auch damals nicht auf, und das ist eS, was mich wundert.

Genug, der Kranke, nachdem er vor der Hausthüre erst eine , Prise genommen, war noch keine zwanzig Schritte über die Straße gegangen, so verließ der Krämer seinen Laden, der Käufer vergaß das Erhandelte, die Schuljugend ihr Mittagsbrod, der Gelehrte wenn's einen in Birkenfeld gab seine Bücher, die Weiber ihre Männer und umgekehrt. Es blieb Alles stehen und liegen, was weiter gehen, aufgehoben, fortgetragen und nach Hause eilen wollte und folgte Alles nur den beiden Schildkröten, dem Schachtelmann und seinem Diener.

Unter meinem Fenster angekommen, blieb der Professor stehen, und mit ihm stand der bunte Troß, wie von Zaubermacht gefesselt, voll Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Herr Doctor, rief der Professor zu mir hinauf, ich bitte, begleiten Sie mich, ich habe einiges Wichtige mit Ihnen zu reden.

Gern, gern! war meine Antwort, und ehe zwei Minuten vergingen, war ich an meines Patienten Seite.