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Herrn Steub fallen, ein Manuscript bei einem Verleger loszuschlagen! Man nenne einen Schriftsteller gemein, trivial, gesinnungslos, frivol, dumm, frech, aber für die Menge unterhaltend, und der Buchhändler der gewöhnlichen Art wird mit allen zehn Fingern zugreifen; man nenne ihn genial, und er wird die zehn Finger nur brauchen um das Manuscript verächtlich von sich zu stoßen. Wie es Vogelscheuchen gibt, so ist das Prädicat „genial" die Buchhändlerscheuche. — Auch befindet sich hier der norddeutsche Historivgraph Dönni- ges, mein LandSmann, ferner der bekannte, viel genannte, auch wohl viel angefeindete Publizist, G. Bacherer, jetzt hiesiger Hausbesitzer; doch kann ich von ihm eben so wenig, als von allen übrigen hier lebenden Schriftstellern sagen, mit welcher literarischen Arbeit sie jetzt guter Hoffnung sind. Man hat hier nicht so das Herz auf der Zunge, wie in Leipzig, und eine kameradschaftliche Mittheilungslust findet hier nicht in gleichem Grade statt. Der sehr talentvolle Ver> fasser des Romans „Ritter und Bauer", Lentner, ist ein südbaie-- rischer Autochthone und zuweilen, wie ich höre, auch besuchsweise in München. Noch muß ich Ihnen den hier lebenden Fallmerayer nennen, der Ihnen durch seine Versuche, die jetzigen Griechen im Schmelztiegel seiner Reflexionen und Untersuchungen in Slaven umzuformen, bekannt sein wird. Uebrigens ein origineller Kopf, mit den Eigenthümlichkeiten des Orients genau vertraut, voll Lebeil und Geist und, wie mehrere seiner Skizzen aus dem Morgenlande dar- thaten, trefflicher Stylist und tüchtiger Schilderer.
Ferner vermuthe ich, daß die liebenswürdige Pseudonyme Schriftstellerin, Emma von Niendorf, eine Frau von Suckow, sich häusig und für längere Zeit hier aufhält. Ich kenne von ihr einige reizende lyrische Sachen und mehrere Redeschriften, in denen sich eine naive Tiefe des Gemüths offenbart, ein fast mystisches Geheim- und Jnstchhincinleben, wodurch sie sich wesentlich und in echt weiblicher Liebenswürdigkeit von mehreren norddeutschen Schriftstellerinnen unterscheidet, welche, pikant-geistreich und coquett-suffisant und mÄiscmt, meist an der Oberfläche der äußeren Erscheinung hängen bleiben' wie der Schmetterling an der Blume, nicht wie der Rosenkäfer welcher sich tief in das Herzblut der Blume einsenkt und vergräbt.'Neulich las ich von ihr einen phantastischen Aufsatz in der Europa, worin diese Dame einen nächtlichen Bilderspuk in der Münchner Pina-