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Tagebuch.
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St. Lavatus und die Phvsiognomen" heißt ein fein und sinnig geschriebenes Sittenbild aus dem vorigen Jahrhundert von F. G. Kühne, welches das Morgenblatt mittheilt. Der berühmte Lavatcr war kein Poet von Bedeutung, aber ein poetischer Mensch, ein Prophet in seinen eigenen und in Vieler Augen, in den Augen un­serer Zeit ein christlich-romantischer Schwärmer, mit einem Anflug von halb wissenschaftlicher, halb pietistischer Charlatanerie und Herrsch­sucht, was schon damals der gesunde Goethe zu spüren schien. Dieser merkwürdige Schweizer nun tritt uns in dem Kühne'schen Bilde mit sprechender Ähnlichkeit und Treue, wie aus dem Rahmen eines alten Fanuliengemäldes mit lebensgroßen Figuren, entgegen. Die Erzählung ist sehr glücklich dem Sohn eines alten Neichsfürstcn in den Mund gelegt, der die pedantische und patriarchalische gute alte Zeit reprasentirt, wo die Prinzen an unsern großen und kleinen Höfen eine Erziehung erhielten, welche französische Wcltmanns- bildung und reichsdeutsche Eharakterstrenge vereinigen sollte. Der alte Reichsfürst ist ein Verstandesmensch, der über Jenseits und Un­sterblichkeit m's Reine kommen will, und dabei ein phystognomischcr Adept, wie es heute phrcnologische gibt. Das Ganze ist eine Studie aus dem ersten Bande eines Romans, der in der Sturm- und Drangperiode spielt. Wir glauben, man kann von dieser neuesten Production Kühne's eine sehr werthvolle Bereicherung der modernen Literatur erwarten.

Von Eduard Boas, den die Leser der Grenzboten als einen anmuthigen Erzähler und Touristen kennen, liegt uns ein sehr an­sprechendes kleines Gedicht vor:Pepita, italienische Idylle." (Leip­zig, Verlag von Leopold Voß, 1844.) Vielleicht kennt es der Leser schon aus derZeitung für die Elegante Welt", worin es früher in einzelnen Abtheilungen erschienen war. Es ist eine poetische Erinne­rung aus Italien, dem Stoffe nach ein bloßes Genrebild, eine Skizze, die das Liebesabenteuer eines deutschen Doctors der Philosophie mit ei­nem hesperischen Kinde, das zwar gern barfuß geht, aber voll Naivetat und Grazie ist, recht humoristisch zeichnet. Nur ist das metrische Kleidchen, das Boas dem Kinde umgehängt hat, etwas lose; viel lo­ser als die Form von Heine's Atta Troll, an den auch die Seiten­blicke auf seine heimischen Pappenheimer erinnern.

Verlag von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.