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Flamändische Literatur-Uebersichten.
Antigonus oder die Volksklagen.
Ein satvrischcS Gedicht von Th. van Rpswpck.
Die Chroniken der Stadt Antwerpen sind reich an Geschichten und Sagen über den Ursprung der alten herrlichen Stadt. Die bekannteste derselben ist folgende:
Lange vor der christlichen Zeitrechnung bemächtigte sich ein Recke, Antigonus , einer seit der grauen Vorzeit an der Schelde liegenden Burg. Nur wenige, von armen Schiffern bewohnte Hütten standen an Antwerpens Stelle an dem Flusse, der sich damals, noch von keinen Dämmen zürückgedrängt, in ungeheurer Breite ausdehnte. Antigonus aber, der Mächtige, beherrschte diese ganze Wasserfläche, und jedes Schiff, das an seinen Mauern vorbei fuhr, mußte einen ungeheuern Zoll, wie einige versichern, die Hälfte der
Unseren: Programm gemäß geben wir hiermit eine Reihe von Literaturübcrsichtcn, die dein deutschen Leser einen Blick in die Bewegung der jetzigen niederdeutschen Schriftsteller eröffnen sollen. Wenn wir mit dein Antigonus von NySwpck beginnen, so muffen wir hinzufügen, daß wir diese Dichtung nicht etwa für eine der vorzüglichern der jungen Schule halten. Vielmehr gilt dieses Poem als einö der schwächern und flüchtigern Erzeugnisse; so wie überhaupt die Satvre nicht das eigentliche Feld ist, für welche der breite und gewichtige flainändische Ausdruck sich eignet. Aber die nationale Gesinnung, von welcher dieses Gedicht gefärbt ist, der Grimm gegen die »wälschc" Sprachbedrückung, die Opposition gegen das französische Prinzip, sind so hervorstechend, daß wir kaum einen bessern Spiegel für die flainändische VolkSgeflnnung aufstellen können. Wir werden später Gelegenheit genug finden, den ästhetischen Werth der flamnndischen Poesien zu beurtheilen. Die vorliegende nehme man nur als ein Abbild ihrer nationalen Richtung.
Anmerk. d. Red.