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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
Wieder half mein Freund ans, er beschaffte einen andern Kreditgeber, Dieser Wackere hatte leider russische Papiere, die er teuer gekauft hatte nnd nur mit Schaden umsetzen konnte. Es war billig, daß ich den Verlust trug, aber einen Schrecken bekam ich doch, als mir hundertfünfzig Thaler abgezogen wurden, die mir mein Freund gegen einen Wechsel von fünfhundert Mark vorstreckte. Mein Verdienst von mehr als einem Vierteljahr war dahin. Nachher erfuhr ich, daß das Ganze ein Scheingeschäft gewesen war, erfunden von meinem Freunde, um meinen Geldbeutel zur Ader zu lassen und mich fester in seine Hände zu bringen.
Allmählich merkte ich, mit wem ich es zu thun hatte, aber noch kannte ich meinen Mann nicht ganz. Noch immer steckte er die Maske der Freundschaft vor das Gesicht und jammerte, wenn ich mit Kreditgesuchen kam, daß er zwanzig Prozent aufschlagen müsse, weil ihm das Geld in den teuern Zeiteu selbst fünfzehn koste. Schnell und schneller ging es mit mir zurück. Bei der Bedrängnis, in der ich steckte, mußte ich meinen Kunden teure Preise machen, um überhaupt zu verdienen; so blieben die bessern weg, und nur faule Kunden bekam ich zu. Dann brach der „Krach" aus, der vielen die Mittel nahm. Vordem bekam der Geschäftsmann auch für geringere Ware gutes Geld, jetzt war die beste Ware kaum anzubringen. Mich traf der Schlag besonders hart; ich hatte mehrere hundert Thaler Forderungen zu Buche zu stehen, und niemand zahlte; alle wollten weiterborgen, ich aber mußte meinen Gläubigern geradestehen.
Mein Freund schnitt damals die Pfeifen aus grünem Holze; aus dem einen Wechsel von fünfhundert Mark machten seine Prolongations- und andern Künste in zwei Jahren drei dergleichen. Er hatte mich lange sanft mit Ruten gestrichen, jetzt fing er an, mich mit Skorpionen zu züchtigen.
Am 1. Juli 1377 stieg die Not am höchsten, es war mir nicht möglich, die bis dahin prompt bezahlten Hypothekzinsen herbeizuschaffen. Besonders fürchtete ich wegen der letzten fünfzehnhundert Thaler, welche an meinen Freund übergegangen waren, und sandte ihm durch meinen vierzehnjährigen Sohn einen Brief mit der Bitte um Stundung, Meinem bangen Zweifel entgegen brachte dieser die mündliche Zusage, ich möchte mich beruhigen, er wolle mich wegen der Kleinigkeit nicht drängen. Aber am 10. erhielt ich unerwartet einen eingeschriebenen Brief, der mir die Hypothek kündigte, da die Zinszahlung nicht pünktlich erfolgt und die Kündigungsbeschränkung somit erloschen sei! Mir schnürte ein Krampf das Herz zusammen, meine Grete rang die Hände, denn dies gab unsrer Existenz den Todesstoß. Ich konnte in meiner Lage und bei dem gesunkenen Werte der Häuser die letzte Hypothek nicht wieder beschaffen. Als ich zu dem Wucherer kam und ihn an seine Zusage erinnerte, schwur er bei dem Gotte seiner Väter, mein Sohn habe gelogen und ihm keinen Brief gebracht. Ich schlug den Knaben in meiner Verzweiflung unbarmherzig durch; er blieb dabei, daß er die Wahrheit gesagt habe. Mit Kummer und schwerer Mühe trieb ich die Zinseu noch am selben Tage auf; Grete trug sie dem Peiniger hin, er nahm das Geld, aber die Kündigung nahm er nicht zurück. Umsonst hat Grete gebeten und gefleht; sie hätte ebensoleicht einen Stein rühren können. Er wußte wohl, daß von mir nichts weiter zu erpressen war. Mit harter Stirn sagte er ihr, ich sei doch sowieso bankerott, und er mache der Geschichte jetzt ein Ende; er habe nicht länger Lust, Geld an mir zu verlieren!
In der That, es war kein bloßer Höhn, der wackere Mann hat Geld, viel Geld an mir verloren. Er kann es schwarz auf weiß, in Gerichtserkenntnissen mit dem Adler an der Spitze und dem „Von Rechts Wegen" am Schlüsse beweisen.