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Literatur.
gewinnen. Wir müssen die Schrift zwar für wohlgemeint, aber für übereilt und schließlich fruchtlos halten.
Die Eroberung Preußens durch die Deutschen von Albert Ludwig Ewald. Drittes Buch. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses.
Mit besondrer Vorliebe hat sich die deutsche Geschichtschreibung seit den Freiheitskriegen den Glanzperioden der mittelalterlichen Kaisergeschichte zugewandt und dabei iu erster Linie den Kämpfen der Deutschen um den Besitz Italiens Beachtung geschenkt. Das Vordringen der Deutschen nach dem Osten dagegen hat, weil es sich stetig, ohne große entscheidende Ereignisse und ohne glänzende Siege vollzog, weniger Berücksichtigung gefunden, und doch gewährt es ein besondres Interesse, den deutschen Waffenthaten im Osten zu folgen, durch welche znletzt die Küsten des baltischen Meeres bis zur Newa hin dem christlichen Glauben, deutschem Bürger- tnme und deutscher Kultur erschlossen wnrden.
Es war, nachdem das verdienstvolle Werk Voigts durch die Durchforschung und Herausgabe der preußischen Geschichtsquellen in mehr als einer Hinsicht veraltet war, ein Verdienst Ewalds, ans Grund des neugewonnenen Qucllenmaterials die Eroberung Preußens dnrch die Deutscheu zum Gegenstand einer umfänglichen Darstellung zu machen. Das kürzlich erschienene dritte Buch seiues Werkes, welches mit König Ottokars II. Teilnahme an dem Kampfe gegen die heidnischen Preußen beginnt, behandelt die Eroberung des Samlandes, des östlichen Natangens, des östlichen Bartens und Galindens.
Wie in den frühern Bänden, so bewährt sich auch hier Ewald als ein besonnener und umsichtiger Forscher. Leider treten aber auch bei der Fortsetzung die schon früher empfundenen Mängel wieder zutage. Es fehlt dem Werke an künstlerischer Gestaltung. Die Trockenheit der Darstellung und das Durcheinander von Untersuchung und Erzählung thut in bedauerlicher Weise dem Genusse an dem guten Buche Abbruch.
Der letzte Wikinger. Erzählung von Thomas Lange. Nach dem Dänischen von A. Michclsen. Leipzig, Johannes Lehmann, 1884.
Eine poesievolle, halb idyllische Erzählung, über deren Form und Inhalt die großartig verschwimmend nebelhafte Atmosphäre des nordischen Meeres lagert. Der „letzte Wikinger" ist ein ungewöhnlich kraftvoller nnd.tief fühlender Mensch, dem die Poesie des Meeres Religion nnd Lebensgehalt geworden ist. Die gewaltige Einsamkeit der weithin menschenleeren See ist sein wahres Element, in die Formen des sozialen Lebens der Menschen vermag er sich nicht ohne größte Überwindung seiner selbst einzufügen; darnm lebt er fremd unter ihnen nnd fremd anch ihrem Christentum, dem er sich als echter Heide garnicht fügen kann. Da der Autor aber gläubiger Christ ist, so läßt er seinen Helden aus dem Konflikt mit dieser Lehre znr Einsicht in ihren Wert kommen. Nicht wegen der Gesinnung, die allerdings etwas weniger pastörlich sein könnte, sondern wegen der künstlerisch nicht vollendeten Darstellung halten wir diese Partien für den schwächer» Teil der Erzählung, während die Stimmungsbilder vom Leben ans uud an dem Meere von hoher poetischer Schönheit sind. — Die Übersetzung ist gut, die Ausstattung des Buches splendid.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. Gustav Wustmann in Leipzig in Vertretung. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Neudnitz-Lcipzig.