Literatur.
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lange Heldenreihe des Geschlechtes der Hohenstausen und auch dessen langen und heißen Kampf wider das Papsttnm und um den Besitz Italiens. Wenn das Los dieses edeln Jünglings furchtbar und ungerecht war, so war doch der Sprnch der Geschichte völlig reif: Deutschland sollte ferner nicht über Italien herrschen, das alte Reich der Ottonen nnd Franken nicht hergestellt werden,,. Große Geschlechter stellen Systeme einer Zeit dar; doch sie fallen mit diesen, und keine priesterliche oder politische Macht, wie sehr auch die überlebende Einbildung sich bemühte, vermochte je eine überwundene Legitimität zu erneuern. Kein größeres Geschlecht vertrat je ein größeres System, als die Hohenstcmfen, in deren mehr als hundertjähriger Herrschaft der Prinzipienkampf des Mittelalters seine entschiedene Entfaltung und seinen mächtigsten Charakter gefunden hat. Der Krieg der beiden Systeme, der Kirche nnd des Reiches, die sich gegenseitig zerstörten, um die Bewegung des Geistes frei zu geben, war der Gipfel des Mittclalters, und auf ihm steht Konradin durch seinen tragischen Tod verklärt." Wir meinen, es wäre Pflicht des Dichters gewesen, der sich diesen Stoff zur epischen Behandlung gewählt hatte, jedenfalls alle Historiker zu Rate zu ziehen, die ihn wissenschaftlich dargestellt haben; denn keinesfalls darf der Dichter kleiner als der Historiker sein, der Dichter, der sonst das Recht hat, dort in die Lücke zu springen, wo den Manu der an die Empirie gebundenen Wissenschaft alle Weisheit verläßt. Dies machen wir dem obigen neu erschienenen Epos znm ersten Vorwurf. Er scheint von der großartigen Darstellung bei Gregorovius, die ihm fruchtbar genug geworden wäre, nicht die geringste Notiz genommen zu haben, sondern hat sich vielmehr in Geist und Thatsachen an die veraltete und seitdem durch Forschungen wie Schirrmachers „Letzte Hohenstausen" vielfach ergäuzte Darstellung Räumers im vierten Baude seiner Hohenstanfcngeschichte gehalten. Er hat sich uur zu sehr au Raumer gehalten; von seiner Darstellung hat er auch die Anregung erhalten, die Idee der Mutterliebe znm Grundton seiner Dichtung zu machen, wie er es in der Widmung ausspricht!
Was mir im Leben stets das Rührendste Gewesen schon seit frühster Jugendzeit, Die Mutterliebe, die nuch mich erquickt Mit heil'ger Treue, ssie?) hab' ich verwirr In tiefen Tönen aus der Menschenbrust, Gedenkend deiner, du erlauchtes Herz, Das selbstlos mich geliebt bis in den Te>d,
Raumer erwähnt ausführlich (S. 534 ff.), wie die Mutter Kvnradins sich seiuem Zuge nach Italien ahnungsvoll widersetzte, ohne jedoch den mutigen, aus sein ehrliches Recht vertrauenden Jüngling davon abhalten zu können. Aber bei Gregorovius hätte der Dichter lernen können, was für ein zufälliges Moment diese Ahnung der Mutter bei dem tragischen Ereignis ist, denn dieser findet nur eine Zeile für das genügend, was Raumer ausführlich erwähnt. Und dies ist der zweite Fehler der vorliegenden Dichtung. Jeder Künstler muß vorerst trachten, harmonische Einheit zwischen Stoff und Idee iu seine Darstellung zu bringen, und ein gewaltiges politisches Ereignis eignet sich am wenigsten dazu, eiucn mehr idyllisch schönen Gedanken zu verauschaulichen.
Aber alle diese Einwendungeu wären nebensächlich, wenn der Autor in der Form seiner Darstellung poetische Eigenschaften irgendwelcher Art bekundete; aber leider fehlen diese, man muß geradezu sagen gänzlich. Die Sprache, die sich nur zu oft Freiheiten erlaubt wie z. B. „eiMMndet"'(S. 137), „hiebzerschroten" (S. 156), „glutcte" (S. 11), „Fort Peinen, Sinnen und Sorgen" (S, 62) u. f. w,, entbehrt