Sachsens Uunstleben im sechzehnten Jahrhundert.
25
scheinung, Mariä Verkündigung, die sieben Freuden und sieben Schmerzen, das Fegefeuer, Adam und Eva, Zwischen Altar und Kanzel sah man außer ver- schiednen naturgeschichtlichen Merkwürdigkeiten die große obenerwähnte Reisetafel, welche die heiligen Orte Palästinas geographisch nachwies, uud andre dem heiligen Grabe entnommene Darstellungen. Vier Teppiche, welche die Passion darstellte» und welche Friedrich augeblich für 4000 Gulden gekauft hatte, vollendeten den reichen Wandschmuck der Kirche.
Aber nicht nur mit diesen Bildern uud Teppichen war die Kirche versehen, sie barg außerdem auch uoch den reichen Schatz von Reliquien, der zum Teil schon früher in der alten Manischen Schlvßkapelle bewahrt worden war und den Friedrich seit dem Beginne seiner Regierung ununterbrochen vermehrt hatte. „Es strich dieser Churfürst diesen Stift mit Heilthnm, gülden Stücken, Kleinoten in Gold und Silber also heraus, daß gewißlich dazumal wenig Stiftkirchen in allen deutscheu Landen derart geziert gcwest — und daß mcms dafür halten wollt, es hätt seiner Churfürstlichen Gnaden über 400000 Gulden gekostet." Mit diesen Worten hat Friedrichs Biograph, Spalatin, über den Neliquicnschcch der Kirche berichtet. Bis auf 6005 war durch Friedrichs Bemühtingen allmählich die Zahl der Reliquien augewachsen, die iu kostbaren Schreinen verwahrt wurden und deren jede bei gläubiger Verehrung einen hunderttägigcu Ablaß versprach. Alljährlich, am Montage nach Misericvrdias Domiui, waren die Heiligtümer zur allgemeinen Verehrung ausgestellt und wurden von den Bewohnern Wittenbergs gläubig betrachtet. Um die Bedeutung des Reliquienschatzes aber auch Auswärtigen klarzumachen, ließ Friedrich eine besondre Schrift, das Wittenberger Heiligtumsbüchleiu, verfassen. Cranach, der unterdessen in ein immer näheres Verhältnis zum Kurfürsten getreten war, Wappenbrief und Adel bekommen hatte nnd soeben von einer Reise aus den Niederlanden zurückkam, wurde beauftragt, die Abbildungen der Heiligtümer anzufertigen; diese wurden in Holz geschnitten und der Wittenberger Buchdrucker Johann Grünenberg lieferte im Jahre 1609 den Druck.
Die Einleitung der Schrift, die in manchen Exemplaren auf Pergament, für eine größere Verbreitung auf Papier gedruckt wurde, enthält eine kurze Geschichte der Stiftskirche und ihrer Ausstattung mit Reliquien und fordert die Gläubigen zur Wallfahrt nach dem Heiligtum auf, wo sie reicheu Ablaß erhalten könnten. Zu dieser Einleitung gehören die beiden ersten Illustrationen, ein Kupferstich und eiu Holzschnitt. Der Kupferstich des Titels zeigt die beiden fürstlichen Brüder Friedrich und Johann, welchen die Stiftskirche ihren Neubau verdankte, unter einem Fensterbogcn nebeneinanderstehend, den einen in einem reichbesetzten Pelze, den andern mit einer schweren doppelten Halskette. Darauf folgt auf der Rückseite des Titels die neuerbaute Stiftskirche in ihrem deutschen Spitzbogenstil, mit dem hohen, runden Turme und dem daneben liegenden Gottesacker. Die Schrift selbst enthält das Verzeichnis der 6005 Heiligtümer Grenzbotcn IV. 1884. 4