Litt Franzose über Bismarcks Politik.
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minder im Reichstage von Leuten eingenommen würden, die eine Zeit lang in diese Schule gegangen sind, statt daß es sich jetzt Handwerkspolitiker, Fraktions- helden ohne Sinn und Verständnis für das natürliche Leben, seine Kräfte und Bedürfnisse, phrasendrehende, nur im juristischen Formalismus erfahrene, nur in ihm sich wohlfühlende Advokaten, rechthaberische, vom Bewußtsein ihrer Allwissenheit geschwollene Professoren und Literaten uud andre strebsame Theoretiker zum Schaden und Aufenthalt unsrer Entwicklung auf ihnen bequem machen. Den Inhalt unsrer Gesetzgebung würden dann die Praktischen Leute liefern, den andern wäre überlassen, die Form zu feilen, und jeder Teil hätte dann, was sich nach seiner bisherigen Erfahrung und Uebung sür ihn schickte und gebührte.
Die Politik des Kanzlers ist durch und durch auf Beobachtung und Erfahrung gegründet und infolgedessen voll Leben und Wirklichkeit. Er sieht die Dinge ohne gelehrte Brille und deshalb so groß und so klein, wie sie in Wahrheit sind. Er versucht bei seinem Denken und Handeln nicht, die Thatsachen, Verhältnisse und Zustände zu zwingen, sie nach einer anderswoher abgeleiteten Theorie zu gestalten, sondern die jeweiligen Thatsachen, Verhältnisse und Zustände liefern ihm in Verbindung mit seinen scharfen Augen, seinem gesunden Verstände, seiner Menschenkenntnis und einigen altbewährten, gleichfalls auf der nüchternen, vorurteilsfreien Beobachtung des Werdens und Vergehens hier unter Sonne und Mond beruhenden Regeln die Theorie, nach welcher die gerade vorliegende Frage zu lösen ist. Er weiß, daß eins sich nicht für alle schickt, heute nicht morgen oder gestern ist, gut Ding Weile haben will, und daß der Segen von oben kommt. In allen diesen Beziehungen gleicht er dem Bauer, der auch seinen Roggen nicht zu der Zeit sät, wo Sonne und Regen ihm nicht günstig sein können, der auch keine Weizenernte von Lupinenland erwartet, und der auch nur da nassen Boden zu entwässern unternimmt, wo er einigermaßen hoch liegt und folglich Abfluß hat. Seine erste Frage bei einem Plane ist: Was ist hier möglich? Sein erster Gedanke bei einem Ziele: Ist es nützlich und wie weit? Und die Antwort erteilt ihm nicht der grüne Tisch, sondern das grüne Land, das ihn umgiebt, mit dem er lebt, das er nach seiner Bonität und nach seinen Kräften wie nach seinen Schwächen und Mängeln gründlich kennt und in dem er täglich mehr zu Hause, dessen er täglich mehr Herr wird. Der Bauer versteht ferner zu arbeiten und zu beharren. Zumal der märkische Bauer auf seinem kargen Boden, der es dem auf ihm Angesiedelten so schwer macht, sich zu uähren und zu erhalten, geschweige denn zu Wohlstand zu gelangen. Wie der Landmann der Mark, hat Bismarck mit großen Schwierigkeiten zu ringen gehabt und sie alle allmählich durch Ausdauer überwunden. Immer seinen letzten Zweck vor Augen, ließ er sich durch Mißlingen seiner Versuche, ihn zu verwirklichen, niemals irren, obwohl die Mittel, die er zur Hand hatte, oft kaum genügend erschienen. Ging es mit der einen Methode nicht, so kaprizirtc er sich nicht auf sie, sondern probirte es mit einer andern. Bereits damals, wo er zuerst die politische Arena betrat, gewahren wir bei ihm