Contribution 
Kleine Goethiana : zum 28. August.
Page
464
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

464

Kleine Goethiana.

Liebe, wo ist da Ersaz für? O wenn ich manchmal von Gedanken in Ge­danken sinke, freundliche Träume der Vergangenheit vor meine Seele bringe, hoffnungsvolle Zukunft ahnde, und so in des Mondes Dämmerung, meinen Garten auf und ab walle; dann mich's auf einmal ergreifst! ergreifst daß ich allein bin; vergebens nach allen vier Winden meine Arme ausstrecke" oder im dritten Akt:Wie oft bin ich Thörinn auf und ab gelaufen, hier, und habe geweint, geklagt" so sind damit deutlich die Situationen bezeichnet, aus denen das Lied aufgefaßt sein will. Als ein Beweis dafür, daß dieStella" wenn auch nicht dieselbe, doch eine ähnliche Teilnahme erweckte wie derWerther," ist das Gedicht nicht ohne Wert; es verhält sich zu den höhnischen Fort­setzungen, die das Schauspiel fand, ähnlich wieLotte bei Werthers Grabe" zu denFreuden des Jungen Werthers" und denLeiden und Freuden Werthers des Mannes." Wer mag der Verfasser sein?

Gin archäologisches Gutachten. ^300.

Im ersten Hefte des Jahrganges 1879 der Grenzboten habe ich nach­gewiesen, daß der unter Goethes Schriften zur Kunst stehende AufsatzNachricht von altdeutschen, in Leipzig entdeckten Kunstschätzen" nur zum kleinsten Teile Goethes Eigentum ist, vielmehr von dem Leipziger Kaufmann I. G. Qucindt herrührt und von Goethe für die Veröffentlichung imMorgenblatt" (1815) nur etwas redigirt worden ist. Für den Ausfall, den dieser Nachweis veranlaßt hat, kann ich jetzt einen Ersatz bieten durch ein bisher unbekanntes archäologisches Gutachten Goethes aus dem Jahre 1800.

Der kunstsinnige Leipziger Bankier Kammerrat Christian Gottlob Frege (vgl. über ihn und seine geschäftlichen Beziehungen zu Goethe: W. v. Biedermann, Goethe in Leipzig II, S. 157) besaß eine antike Statuette, über deren Wert und Bedeutung er von sachkundiger Seite etwas Zuverlässiges zu erfahren wünschte. Er schickte sie nach Weimar an Goethe und erhielt sie von diesem nach einiger Zeit zurück (Juli 1800) mit einem Briefe, dem ein besonderer kleiner Aufsatz über das Werk beigelegt war. Elf Jahre später, als der bekannte Archäolog Böttiger in Leipzig zu Besuch war, ergriff Frege die Gelegenheit, auch diesen um seine Meinung über die kleine Antike zu befragen, und Böttiger, dem das Goethische Gutachten jedenfalls vorgelegt worden war, verfaßte eins von ähnlicher Ausführlichkeit, das dem Goethischen mehrfach widersprach.

Im nachfolgenden teile ich alle drei Schriftstücke, Goethes Brief an Frege und die beiden Aufsätze über die Statuette, wörtlich mit. Der Brief ist ganz eigenhändig von Goethe auf einen halben Bogen in Quart geschrieben; die Adresse fehlt. Von den beiden Gutachten ist das Goethische ebenfalls ganz eigenhändig; das Böttigersche ist von Schreibcrhand geschrieben, Böttiger selbst