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Die Engel auf Erden : Roman : aus dem Italienischen :
(Fortsetzung.)
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Die Lngel auf Lrdon.

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Ihnen, Herr Amardi, daß Sie die Güte gehabt haben, sie zu begleiten. Hätte ich gewußt, daß meine Frau einen svlchen Kavalier hatte, so würde ich mich nicht weiter beunruhigt haben.

Laurette schritt, ohne ein Wort zu sagen, den Korridor hinab. Paul, welchem es wiederstrebte, auf die Redensarten des Grafen etwas zu erwiedern, hatte sein Haupt zu stolzem Gruße geneigt und war im Begriffe, fortzugehen, als die Gräfin, welche sich anders besonnen zu haben schien, eiligst zurückkehrte und ihm mit der frenndlichsten Miene und dem liebenswürdigsten Lächeln die Hand reichte.

Lebt wohl, Paul. Ich gehe wieder in den Ballsaal. Gern hätte ich unser Gespräch fortgesetzt, aber man hat seine Pflichten gegen die Gesellschaft und bringt der Prüderie der Welt ein Opfer. Ich erwarte Euch morgen.

Beim Abschiede warf sie ihm einen kühnen Blick zu. Der Graf bemerkte es, und sein Gesicht verzog sich zu eiuer ironischen Grimasse. Er reichte Paul die Hand, die kalt wie Eis war, und sagte mit affeltirter Höflichkeit: Wir er­warten Sie morgen, mein lieber Herr Amardi.

Auf der Treppe sagte er zu seiner Frau: Du hast dir also fest vorge­nommen, dich mit jenem Menschen zu kompromittieren?

Laurette gab keine Antwort. Sie betrat den Tanzsaal nnd erschien heiterer und lebhafter als je. Man fand sie bezaubernd, sie war liebenswürdig gegen jedermann, sogar gegen die Damen. Einigen von ihnen vertraute sie als tiefes Geheimnis an, daß sie bei einer Promenade im Garten die Witwe Mandozzi und diesen Dingsda von Amardi in einem mehr als interessanten Gespräch über­rascht habe.

In weniger als einer Stunde beschäftigte die Verleumdung die ganze Bade­gesellschaft, uud das boshaft weitergetragene Gerücht gab einem hundert von albernen Seelen Stoff zu den erbärmlichsten Witzeleien. Es bildete sich ein aus falschen Tugenden zusammengesetztes Synedrium von Krinolincn, der Urteils­spruch dieser von Ehrbarkeit duftenden Damen ging dahin, daß man jene Frau nicht länger unter sich dulden könne, daß es höchst gefährlich sei, die Kleider, welche die unschuldigen Töchter einhüllten, dem Gewände dieserKreatur" nahe­zubringen, und daß man zu Ehren der guten Sitte und zur Strafe sür solche Frechheit ein Exempel statuiren müsse.

Inzwischen hatte sich aber Gras Beldoni nicht wieder an den Whisttisch gesetzt, sondern sich auf die Terrasse begeben, wo er, auf die Balustrade ge­stützt, in tiefes Nachdenken versank.

Sie wäre imstande, davonzulaufen, sagte er sich. Und was soll ich ohne sie anfangen. Gewiß will sie mit ihm davon. Wie ich diesen Menschen hasse! Warum bin ich nicht jung, stark und tapser? Jemand zu hassen und ihn nicht aus dem Wege schaffen zu können, ist eine unerträgliche Tortur!

Er hörte, wie die Paare, welche aus dem Saale kamen, um sich auf der Terrasse zu ergehen, laut lachten.

Sie lachen! Wer steht mir dasür, daß sie nicht über mich lachen? Daß man sich nicht, wie eine hübsche Anekdote von einem gefoppten Ehemanne, das Rendezvous meiner Frau mit diesem elenden Plebejer erzählt? Ich gäbe wer weiß wieviel darum, wenn ich es ihm eintränken könnte!

In diesem Augenblicke näherte sich ihm der junge Graf von Valgrandc; es kam ihm ein plötzlicher Gedanke, der ihm sehr zu gefallen schien, denn seine farblosen Lippen zogen sich zu seinem stereotypen ironischen Lächeln zusammen. Grenzboten III. 1884. 43