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Die Engel auf Erden : Roman : aus dem Italienischen :
(Fortsetzung.)
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Die Gngel auf Erden.

Roman von Viktor Bersozio. Aus dem Italienischen, (Fortsetzung.)

aul fühlte eine Art von Ärger über sich selbst. Ich zähle dreißig Jahre, sagte er zu sich, das ist das Alter des männ­lichen Verstandes und des mutlosen Skeptizismus. Ich habe an den Schläfen Weiße Haare, welche mir sagen, daß die Ju­gend dahin ist. Ich habe unter allen Breitengraden mit Frauen

jeder Farbe die Komödie der Leidenschaften gespielt, unter den verschiedenartigsten Schattirungen der Haut das Zittern der Sinnenlust gefühlt, und heute, wo ich einem sanften Auge und einem unbefangenen Lächeln begegne, lasse ich es in meine Seele eindringen, wie das erste beste Gesicht einer nicht gar zu häßlichen Frau in das Neulingsherz eines Schulbuben dringt? Ach was! Soll ich denn ewig ein Knabe sein?

Aber darauf suchte er nach mildernden Umständen für sein Vergehen. Ja, ich habe bis jetzt in der Liebe nichts weiter als Gefühlskomödie und Sinnenlust gefunden. Die eine wie die andre wurde mir schließlich zum Ekel. Aber wenn es nun in Wirklichkeit etwas größeres und besseres gäbe und meine Seele darnach verlangte, um für die Schmerzen sovieler Enttäuschung Vergeltung und Be­lohnung zu finden? Glaube ich, oder glaube ich nicht? Ich habe gemeint, ich wäre stark, nachdem ich jeden Glauben abgeworfen. Aber mir ist nichts als die Ode und Leere der Verneinung geblieben, und die ist für meine Seele das­selbe, was die Entbehrung der Luft für die Lungen ist. Bin ich überhaupt noch so geartet, daß die Hand eines irdischen Engels mich aufrichten und zu den blumigen Ufern des Glaubens und der Liebe geleiten kann?

Er schüttelte das Haupt, als wollte er sich aus dem Wirbel dieser Ge­danken losreißen, und sagte entschlossen mit erzwungener Heiterkeit zu sich selbst: