Notizen.
Mettcruich reäivivus. Lange, vielleicht zu lange hat die Fortschrittspresse gegen den Reichskanzler Schonung walte» lassen, aber endlich ist ihr die Geduld gerissen. Das Maß seiner Sünden war schon voll nnd übervoll, nun hat die blutige Beleidigung der jüdischen Nation dein Faß den Boden ciusgeschlageu, nnd jetzt keine Nachsicht, keine Gnade mehr! Und da wagt noch jemand der Partei das nationale Gefühl abzusprechen! Wer „einem Lasker" das anthun konnte, dem muß der Standpunkt klar gemacht, der muß nrdi ot orvi in seiner ganzen Ab- scheulichkcit gezeigt werden. Das erstere Geschäft hat — soweit unsre Kenntnis der wahren Organe der wahren öffentlichen Meinung reicht — am entschlossensten das „Berliner Tageblatt," das andre die Wiener „Neue freie Presse" übernommen. Wer ist denn dieser Kauzler? fragt Herr Mosse. Der Vertrauensmann einer einzigen Person! Und wenn diese eine Person wenigstens noch Journalist oder Advokat oder Inhaber eines schwunghaften Konfektionsgeschäfts wäre; aber nein, sie ist nichts als Kaiser. Wie der Mann nur wagen darf, sich auf gleiche Liuic mit einem Abgeordneten zu stellen, hinter welchem soundsoviel Wähler, oder mit andern Worten „das Volk" steht, das Volk mit Gänsefüßen (oft auch mit Gänse- Hirn)! In übelaugebrachter Bescheidenheit unterläßt das gute „Tageblatt" noch ein cmdres Moment in die Wagschnle zn werfen und die so naheliegende Konsequenz zu ziehen. Dort ein ganz gewöhnlicher christlicher Germane, hier ein Angehöriger des auserwählten Volkes, welcher sich der hilflosen deutscheu Natiou aus purer Barmherzigkeit annahm. Und wenn schon ein Abgeordneter so hoch über dem Kanzler steht, »m wieviel höher erst der Erwählte vou 72 000 Abonnenten und zahllosen Inserenten, Herr Rudolf (!) Mosse. Wenn irgendjemcmd, so hat er vollgiltigen Anspruch auf die Würde eines Mahdi. Nun, einmal wird doch die Menschheit zur Erkenntnis der großen Wahrheit gelangen, welche soeben wieder Plonplon verkündigt hat, daß dem Volk allein das Recht gehört, seine Regierung zu koustituiren und denjenigen zu wählen, den es für fähig hält, es anzuführen. Dann wird Napoleon der Dicke jenseits und Rudolf der Große diesseits der Vogesen herrschen und Freiheit, Recht, Tugend und Handel zur Blüte bringen.
Etwas Geduld müsseu wir freilich noch haben, denn Herr von Bismarck gebraucht seine usurpirte Gewalt in der rücksichtslosesten Weise, um ganz Osteuropa zu knechten. Er ist Metternich reäivivus. Die „Neue freie Presse" hat die Anklage gegen ihn erhoben und ihn überwiesen, er kann nicht mehr lengnen. Die Zeit der dreißiger Jahre bricht wieder an, sagt das Wiener Wcltblatt; nnd die Ähnlichkeit ist in Wahrheit frappant. Links auf der Landkarte ist alles hell und heiter, rechts aber Nacht und Grauen. „In Frankreich sind die Traditionen von 1789 mächtig geblieben, die republikanische Staatseinrichtung ist zum drittenmal wiedergekehrt, nnd sie erhält sich und wird sich erhalten." Aber nicht etwa, weil die Prätendenten einander ebenbürtige Ritter von der traurigen Gestalt sind, ihre werte Person keiner Gefahr aussetzen wollen, nnd weil das Volk (ohne Anführungszeichen), welchem die Geschichte eines Jahrhunderts den Boden unter den Füßen weggezogen hat, in der Republik das geringere Übel erblickt, sondern weil — ei, weil die Republik die Republik ist; was bedarf es da noch weiterer Gründe? Daher walten in Frankreich eine Harmonie, eine Zufriedenheit, ciu Gefühl der Sicherheit, vou denen die Kammerverhandluna.cn, die Zeitungen, die wirtschaftliche Krisis, das Geschrei gegen die Fremden u. s. w. beredtes Zeugnis ablegen. England ist zwar leider noch keine Republik, aber doch ein freier Staat, welcher sich den Lnxus des Fenicrtnms, der ägyptischen Expedition, der Sanktionirung des Sklavenhandels erlauben darf. Wer auch so glücklich wäre! Doch im Osteu gebietet der neue