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Die Westmächte und die ägyptische Krisis.
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Die ZVostmächto nnd die Ägyptische Krisis.

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Diese Rücksichten bewogen das Ministerium Scherif Pascha, lieber zurück­zutreten, als die Verantwortlichkeit für die Räumung des Sndan zu übernehmen. Der Chedive konnte sagen, vermutlich hätte über kurz oder lang ein Zufall ihm aus der Verlegenheit geholfen. Die mvrgenlündischen Negierungen huldigen in ihren Noten immer dem Grundsätze:Es wird sich schon ein Ausweg finden, also warten wir." Und in der That konnte der Mahdi eines Tages in der geheimnisvollen und plötzlichen Weise verschwinden, welche die persönliche Politik des Orients charakterisirt. Er ist lein Volk uud keine Negierung, sondern ein einzelner Mann, der eine Idee vertritt, die mit seinem Tode untergehen könnte. Es wäre möglich, daß er von einem Muslim, der nicht an seine Sendung glaubte, getötet würde, ciu Preis auf seinem Kopf gesetzt, könnte ihm eiueu verräterischen Dolchstoß oder eine Tasse Kaffee zuziehen, die ihm nicht bekäme. Alle diese Möglichkeiten konnten einem muhamedauischen Fürsten vor Augen stehen, der mit einem religiösen Prätendenten zu thun hatte. Verwirklicht sich keine davon, so mnß England, das ihm den Säbel aus der Hand gcuommeu hat, für ihu eintreten: die Londoner Negierung ist mit andern Worten ver­pflichtet, dein Chedive, den sie durch ihren Befehl zum Aufgeben von drei Vierteln seines Reiches gezwungen hat, den Besitz des letzten Viertels sicher­zustellen. Das Gegenteil hiervon, ein ungeschütztes und unkontrolirtes Ägypten, wäre eine unerhörte und durch nichts zu verteidigende Thatsache.

Erfüllt also England nur seine Pflicht, wenn es Ägypten aus der schweren Verlegenheit heraushilft, in die es Arabi, die britische Eiumischuug uud Tel El Kcbir, der Mahdi uud das Verbot, ihn im Sudan weiter zu bekämpfen, gebracht haben, so wird das politische Chaos, das jetzt dort herrscht, wenigstens eine gute Folge haben. Das eigentliche Ägypten wird in kurzer Zeit von der Unterdrückung, die seit unvordenklichen Zeiten auf seiner Bevölkerung lastet, befreit wcrdeu, wcnu England dort gebietet. Mittlerweile ist die Entfernung aller Behörden aus dem Sudan eine sehr ernste Sache. Chartum, das auf­gegeben werden soll, ist ein wichtiger Punkt für den Handel, dessen Einfuhr und Ausfuhr fortwährend gewachsen ist. Gäbe es zwischen Suakin und Berber eine Eisenbahn, so hätte es selbst ein ägyptisches Heer leicht halten können. Natürlich begreift sich die Versuchung, die Gladstone empfand, den Chedive zum Aufgeben der abgelegenen und gegenwärtig kostspieligen Provinz zu nötigen, vom rein englischen Standpunkte sehr wohl. Will England Ägypten nehmen, so kann es ihm ohne den Sudan angenehmer erscheinen. Zwischen dem eigent­lichen Ägypten und dem Sudan erstreckt sich eine Wüste, welche das von Trans­portmitteln entblößte Heer des Mahdi nicht rasch durchschreiten kann, und die englischen Minister glauben ohne Zweifel, daß ein fünfzig Meilen breiter Sand­streifen einen guten Sanitätskordon abgeben wird, wenn es gilt, die Ansteckung der religiösen Schwärmerei aufzuhalten. Vom internationalen Standpunkte aus betrachtet, sieht die Sache aber doch etwas anders aus. Die französischen