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und Bildung, Kopf und Herz in Einklang zu bringen, eine gemeinsame Weltanschauung für das Volk und die Gebildeten zu erringen, war das hohe Ziel, Aber kehren wir zu dem Leben und zu den Gedichte» unsers Autors zurück. Im Jahre 1849 war er zum Professor ernannt worden. Zu gleicher Zeit aber reifte auch jene ideale Liebe heran, der wir den Namen der schönen Gedichtsammlung verdanken. „Frische Liebe, frisches Leben" heißen zwei Lieder, uud iu der That, eiu »euer Ton, eine andre Stimmung tritt ein:
Mir war des Lebens Mittelpunkt gefunden, Um den Gedanken und Gefühle kreisen.
In diesen Zusammenhang gehören die schönen Stücke, welche die Sammlung einleiten: „Weihe der Liebe," „Ein Zeichen," „Seelenreinigung," „Werbung," „Erhörung." Besonders die beiden letztern sind wieder Perlen, welche in hellstem poetischen Glänze erstrahlen. Die „Erhörung" ist gezeichnet „im Taunus 1852"; im Jahre 1853 finden wir das junge Paar in Rom. Zeugnis dieses gemeinsamen Aufenthaltes ist das herrliche Gedicht „Glück der Liebe." In der Form mahnt es an Goethes Römische Elegien, überragt sie aber durch den unvergleichlich reineren Inhalt. Nach der „hochherrlichen Brautnacht" in Rom finden wir unsern Sänger in München; dorthin hatte ihn Liebig nachgezogen, mit dessen Haus er nun verbunden war. Die Anstellung im bairischeu Staatsorganismus, au der Akademie der Künste und nachher an der Universität, errang er sich bald durch seine hervorragende Lehrthätigkeit; dazu kam, daß Kaulbach, dnrch einen Aufsatz Varnhageus in der „Allgemeinen Zeitung" auf das oben erwähnte Werk „Die Weltanschauung der Reformationszeit" aufmerksam geworden, aus dem Buche und seiner Gliedcrnng das Grundmotiv für sein Reformationsbild entnahm. Jetzt begann eine freudige Schaffenszeit. Durch den hochsinnigen König Max war München ein Mittelpunkt geistigen Lebens geworden. Dingelstedt, Geibel, Heyse, Bodcnstedt, Melchior Mehr, Zeising, W. Hertz, Lingg, Große, Kobell, Stenb, Niehl und andre bildeten einen Kreis crlcuichter Geister, der sich bei König Max an seinen berühmten „Symposien" als eine herrliche Tafelrunde von Gelehrten, Dichtern und Künstlern vereinigte. Da fand denn die Poesie neue Nahrung, und so enthält die Sammlung aus jener Zeit viel Wertvolles. Noch aus dem Jahre 1851 stammt das schöne Gedicht „Im Krystallpalast zu London," ein Gedicht, in welchem der spröde Stoss spielend leicht zu gedankenvoller Poesie gezwungen wird; aus jener Zeit stammt auch der Cyklus von zehn Gedichten „Eros und Psyche." Die schöne griechische Sage ist hier modern poetisch in einer Weise behandelt, daß dieser Cyklus der neuen Bearbeitung dieses Stoffes durch Hamerling sich als durchaus ebenbürtig zur Seite stellen darf. Wie fei» ist schon der Anfang, wo Eros spricht:
Es trifft der Pfeil, wvhin ich ihn entsende, Der Herzcnstiefe Grund kann ich erspähn,