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Notizen.
Vorwort des gegenwärtigen Schriftchens belehrt uns, daß dasselbe ursprünglich einen Anhang dieses Werkchcns habe bilden sollen. Umsomehr erstaunt man, darin eine Besprechung der Lvhnfrage zu finden, welche der Verfasser mit Hilfe algebraischer Formeln zu lösen gedenkt. Der Jdcengang des Verfassers ist kurz folgender. Alle Güterwerte werden erzeugt durch Kapital und Arbeit. Beide schließen einen Gesellschaftsvertrag ab. Beide haben daher auch gleichen Anspruch auf den Gewinn. Es ist deshalb unrecht, wenn die Arbeit nur mit ihrem „Verbrauchswerte" gelohnt wird, d. h. mit demjenigen Betrage, der zur Erzeugung der Arbeit unumgänglich notwendig ist. Vielmehr muß die Arbeit auch an dem Gewinn teilnehmen, und zwar in dem Verhältnis des „Verbrauchswerts der Arbeit" zu dem „Verbrauchswerte des Kapitals." Diesen erhöhten Lohn der Arbeit nennt der Verfasser den „Gebrauchswert der Arbeit," welchem er den „Gebrauchswert des Kapitals" gegenüberstellt. Die ganze Lehre läuft also darauf hinaus, den Arbeitern in der Form eines Gewinnanteils einen höhern Lohn cmgedeihen zu lassen. Diese Lehre sucht dann der Verfasser noch durch Zurückführung auf algebraische Formeln besonders anschaulich zu machen, eine Methode, die wohl nur denjenigen imponiren wird, welche nichts von Mathematik verstehen.
Die nächste Frage, die wir erheben möchten, würde nun die sein: Wie denkt sich wohl der Verfasser, daß seine Lehre sich im Leben verwirklichen solle? Soll etwa ein Gesetz gegeben werden des Inhalts: Dem Arbeiter soll nicht bloß der Verbrauchswert, sondern der Gebrauchswert seiner Arbeit vergütet werden? Selbst wenn ein solches Gesetz bestünde, wer sollte es denn ausführen? Daß die Berechnung, was „Verbrauchswert" und „Gebrauchswert" der Arbeit nnd des Kapitals sei, sich nicht ganz von selbst macht, wird wohl anch der Verfasser zugeben. Wer sollte aber nun diese Berechnung mit entscheidender Wirkung vornehmen? Schon diese Unmöglichkeiten beweisen die Wertlosigkeit der ganzen Aufstellung.
Aber die ganze Aufstellung beruht auch auf einer irrigen Grundlage. Nicht Arbeit und Kapital allein erzeugen die Güterwerte, sondern es mnß noch ein drittes hinzukommen: die Thätigkeit des Unternehmers. Ihre Aufgabe ist es, die obwaltenden Bedürfnisse der Gütererzengung aufzusuchen und dann dem Kapital nnd der Arbeit die Richtung ihrer Verwendung und Wirksamkeit anzuweisen. Diese Thätigkeit des Unternehmers bewegt sich aber meist auf einem unsichern Gebiete und ist daher ein gewagtes Geschäft. Sie kann gelingen und kann auch mißlingen. Mißlingt sie, so gereicht es weder dem Arbeiter noch dem Kapitalisten zum Schaden. Der Arbeiter bezieht, so lange er arbeitet, seinen Lohn. Der Kapitalist (diesen einmal vom Unternehmer verschieden gedacht) behält seine Forderung an Kapital und Zinsen wider den Unternehmer. Nur der Unternehmer trägt den Schaden. Er verliert den Wert seiner Arbeit und nach Umständen auch sein Vermögen. Für diese Gefahr, die der Unternehmer im Falle des Mißlingens trägt, muß ihm notwendig im Fall des Gelingens auch ein Vorteil zuwachsen. Das ist der Gewinn des Geschäftes. Stünde nicht der Gefahr des Verlustes die Hoffnung auf einen Gewinn gegenüber, wer möchte wohl noch Unternehmer sein? Und doch hängt davon, daß sich Menschen finden, welche „wetten und wagen, das Glück zu erjagen," jeder Fortschritt ab. Die Anerkennung des Unternehmergewinncs als eines berechtigten Bezugs ist daher unbedingt notwendig für das Gedeihen des Menschengeschlechts. Weil nun aber hänfig der Unternehmer zugleich Besitzer des Kapitals ist, welches für ein Geschäft nutzbar gemacht wird, so sieht der Verfasser dasjenige, was berechtigter Unternehmergewinn ist, lediglich für einen unberechtigten Kapitalgewinn an, und schmäht deshalb das eigennützige Kapital, welches dem Ar-