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Pompejanische Spaziergänge. 3. :
(Fortsetzung.)
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pompejcmische Spaziergänge,

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stützen seinen Arm, nehmen ihm das Gewand ab, tragen seinen Hirtenstab und seine Lanze, Ein Liebesgott ist es, der die Artemis in Endymions Höhle führt und ihr den schönen jungen Schlafer zeigt. Als Oinone versucht, den treulosen Gatten, der sie verlassen will, durch verzweiflungsvolle Bitteil zurückzuhalten, bleibt Paris bei ihren Vorwürfen gleichartig und scheint kaum auf sie zu hören begreiflich genug: der Künstler hat hinter ihm einen Amor angebracht, der sich liebkosend zu seinem Ohre neigt und ihm von seiner neuen Leidenschaft erzahlt. Während aber in allen diesen Bildern die Liebesgötter nur Zubehör sind, machen sie in andern sogar den ganzen Inhalt der Darstellung aus. Der Künstler zeigt sie uns allein und in Beschäftigungen, die sonst das Erbteil des Menschen sind. Sie tanzen, singen, spielen, schmausen; mit geschwungner Geißel fahren sie auf eiuem von Schwänen gezognen Wagen oder versuchen mit großer Mühe ein Lötvengespann zu lenken. Sie halten Weinlese; sie mahlen Korn in einer Mühle, während niedliche kleine Esel, die sie an Blumenguirlanden führen, ihnen dabei helfen. Sie verkaufen, kaufen, jagen, angeln eine Zerstreuung, welche die Maler von Pompeji offenbar für ein besonders göttliches Vergnügen halte:?, denn Venus selbst erscheint bei ihnen wiederholt damit beschäftigt. Eine der anmutigsten und bekanntesten Darstellungen in diesem etwas gezierten und koketten Genre ist die Verkäuferin von Liebesgöttern. Ein altes Weib hat eben aus einem Käfig einen kleinen Eros genommen; sie hält ihn bei den Flügeln gefaßt und reicht ihn einem kauflustigen jungen Mädchen hin. Das schöne Kind scheint kein völliger Neuling mehr, denn es hält bereits einen andern Eros auf dem Schoß; nichtsdestoweniger betrachtet es neugierig den zweiten, der ihm feilgeboten wird und muuter die Nrmcheu nach seiner neuen Herrin ausstreckt.

Was in der neuen Malerschule aus der Mythologie wurde, sahen wir bereits: die alten Mythen büßten ihre tiefe und ernste Bedeutung ein. Zu der gewöhnlichen Methode dieser Maler bei der Wiederaufnahme von Stoffen, denen die alte Kunst eine ideale Größe verliehen hatte, gehörte es, daß sie dieselben so viel als möglich auf menschliche Verhältnisse zuschnitten. Gern heben sie die Entfernung, welche die Götter von den Menschen trennt, völlig auf und behandeln die Heldensagen wie Abenteuer des alltäglichen Lebens. Wir merken, daß der Künstler, wenn er die Liebeshändel der Götter malt, stets im Auge hat, was am Hofe der Seleuciden oder der Ptolemäer vorging. In dem be­rühmten Parisurteil kokettirt Venus, um den Vorzug zu erhalten, mit dem schönen Schäfer genau wie eine elegante Weltdame. Während Polyphem, am Ufer des Meeres sitzend, auf der Leier seine Schmerzen singt, kommt auf einem Delphin ein Eros herbei und bringt ihm einen Brief von Galatea. Mars und Venus sind vorsichtige Liebende, die, wenn sie miteinander kosen, nicht entdeckt sein wollen: auf einem Bilde aus Pompeji lassen sie sich, um bei dem Nahen von Störern gewarnt zu werden, von einem Hunde bewachen. Das ist denn