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Heinrich Laubes Erinnerungen.
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als illusionsarmer Theaterdirektor in die Einsamkeit zurücktrete, das hat meine Seelenruhe nicht gestört, sondern bereichert. Wir sind zum Arbeiten da und sind dazu bestimmt, uns abzunutzen. Auch die Frage ist müssig, ob man mit sich zufrieden ist? Wer könnte das sein! Jeder muß sich eiugesteheu, er hätte seine Schuldigkeit besser thun können. Mancher muß wohl auch sagen, er hätte seine Fähigkeit besser verwerten können. Nein, dies letztere sag' ich nicht. Ich biu im Gegenteile immer erstaunt gewesen, so viel verschiedenartiges aus mir herauspumpen zu können und Ziele zu erreichen, welche weit über mein Ver­dienst hinausreichten. Ob ich wieder anfangen möchte, weuu mir fröhliche Götter eine neue Jugeud schenkten? O ja."

Nun, es ist ein tapferes Wort, dieso ja," und ein erfreulicher Gegensatz zn dem düstern Pessimismus und der trostlosen Lebensmüdigkeit des Tages. Der Schriftsteller verrät damit, daß, wie auch immer das kritische Endurteil über seiu Wollen und seine Leistungen ausfallen möge, er manche Genugthuung auf seinem Wege gefunden hat. Er läßt denn auch rückwärts ein Helles Licht über die Bestrebuugen und Erlebnisse fallen, über welche dieseErinnerungen" be­richten. Es sind einigermaßen willkürliche Aufzeichnungen, um die es sich hier handelt, der Lebensfadeu zieht sich manchmal kaum bemerkbar durch sie hindurch, und sie lösen sich in behagliche Plaudereien über Menschen und Dinge auf, mit denen Laube in Berührung gekommen. Man möchte glauben, daß eine Anzahl früher geschriebener Feuilletons zu diesen Erinnerungen verwendet worden seien, bei der Skizze über den Fürsten Pückler-Muskau, welche den zweiten Teil ein­leitet, ist dies ganz gewiß der Fall. Im übrigen teilt Laube aus seinen Leip­ziger Erinnerungen der ersten vierziger Jahre nur geringes mit, was nicht schon allgemein bekannt wäre. Er gedenkt bei dieser Gelegenheit auch der Gründung der Grenzboten, von denen er wahrheitsgemäß berichtet, daß sie, sorgfältig und gut geleitet, ein Vorbild für neue Zeitschriftenform gewesen, und daß es ein Fehler seinerseits gewesen, eine rein belletristische Zeitschrift, wie dieZeitung für die elegante Welt" war, in den erregten vierziger Jahren noch einmal zu übernehmen. Er verrät, daß er sich der ganzen Richtung gegenüber, welche man damals der Literatur gegeben, im höchsten Maße unbehaglich gefühlt habe. In Leipzig stieg die radikale Richtung von Jahr zu Jahr, und selbst der Schillerverein, welcher damals dort entstand, wurde ein Tummelplatz für die­selbe. Die Teilnahme am großen Dichter überhaupt wurde bald mißtrauisch angesehen, wenn der Volks- und Freiheitsdichter Schiller nicht ausschließlich in den Vordergrund gestellt wurde. Ein unscheinbarer Mann, Kassier am Leip­ziger Theater, wurde Bibliothekar des jungen Vereins, betonte den politischen Charakter des Vereins mit glaubenssichcrem Nachdruck und entwickelte sich langsam als Robert Blum. Bei Festessen und Begräbnissen enthüllte sich mehr und mehr sein eigentümliches Redetalent, welches in breitem, fast singendem Tone alles auf Volk und Freiheit bezog, alles! Die Dichtung, wie der Tod,