518
Henri Regnault.
anzuspornen. Die Erinnerung an ihn weckt den schlummernden Chauvinismus zu immer neuen Drohungen und Schmähungen gegen die „Mörder." Jules Claretin, der fanatische Publizist, steht nicht vereinzelt da, indem er den Tod Rcgnanlts un meurtrg swpiäg nannte, nud er sprach gewiß ans dem Herzen der meisten seiner Laudsleute, indem er eine Besprechung der Publikation von Reguaults Briefe» mit der emphatischen Apostrophe schloß: „Wir selbst haben früher, ebenso großmütig wie naiv, deu Hingang eines Theodor Körner, des deutsche» Tyrtcius, welcher im Kampfe gegen uns den Tod fand, eifrig gefeiert. Es ist hoch an der Zeit, in gleicher Weise diesen Künstler zn feiern, welcher für unser Vaterland und von der Hand der Brüder Körners starb!" Hat doch selbst das Generalkvmmissariat der Pariser Weltausstellung in der elegischen Vorrede zum offiziellen Kataloge, welche den Tod so vieler ausgezeichneten Künstlen beklagt, der „jungen Leute, die in der Blüte ihrer Jugend auf den Schlachtfeldern gefallen sind wie Henri Rcgnault" gedacht, ohne daß in Wirklichkeit außer ihm Verluste von Künstlern zn betrauern sind, von welchen die französische Kunst großes zu erwarten hatte. Auch Regnault wäre, wenn er sich auf der von ihm betretenen Bahn weiter fortbewegt hätte, für die fernere Entwicklung der französischen Kunst eher schädlich als förderlich gewesen. Wenn man seine Werke mit Augen betrachtet, welche nicht durch daö leidenschaftliche Feuer des Patriotismus getrübt sind, kommt man notwendig zu dem Schlüsse, daß es diesem durch und durch auf den äußeren Effekt, nnf das Blendwerk eines kom- plizirten koloristischen Apparates angelegten Talente vollkommen an jener mächtigen Innerlichkeit der schöpferischen Seele fehlte, welche allein die Bürgschaft großer Thaten ist, welche das Genie von der Routine, welche Delaeroix von Delaroche trennt. Charles Blane ist der einzige von den französischen Kritikern gewesen, welcher sich in Betreff Negnaults die Nüchternheit des Urteils bewahrt hat. „Wäre Regnault ein großer Maler geworden?" fragt er in seiner Charakteristik des Künstlers. „Man darf es wohl glaubeil. Indessen hätten seine entschiedenen Neigungen für den Realismus und deu Kolorismus ihu vom rechten Wege abwendig machen oder ihn wenigstens daran hindern können, den höchsten Gipfel zu erreichen. Regnault war, wie man zugeben muß, der rechte Sohn seiner Zeit. Er gehörte zu jeuer Künstlergencrativn, welche, bis zur Sinnlosigkeit eingenommen für die Außenseiten der Natnr, an der menschlichen Kleidung, an den Trachten der verschiedenen Völker, an der Fassade der Paläste, an dem ersten Anblick der Dinge hängen bleibt. Als ob die menschliche Seele nichts mehr hätte, was unsre Kunst zu intercssiren würdig wäre, zieht mau es vor, die prächtige Hülle eines Arabers oder die grellfarbigen Lumpen eines Spaniers wiederzugeben als irgend einen Gefühlsausdruck. Ach, so haben es die großen Meister nicht verstanden, ich meine die größten. Was sehen wir bei ihnen? Eine stolze Zeichnung, eine ruhige Wirkung, eine einfache Technik. Die Formen, das Gepräge des beabsichtigten Charakters sind auserlesen in ihrer