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Zwei Shakespeare-Essays.
und zugleich den Giftbecher zu leeren gezwungen wird, ein predigthafter Vorhalt über die Nichtswürdigkeit dieser Wahl doppelter Mordwerkzeuge und das überreichlich Verdiente seines Geschicks liegen und Hamlets Wort über den Sterbenden „Folg' meiner Mutter" soll „einen versöhnlichen Sinn haben," den Sterbenden auf den ewigen Richter hinweisen und „in sein Erscheinen vor demselben mit der durch ihre Selbstaufopferung bereits entsühnten Mutter einigen Trost auch für ihn legen." Die Selbstaufopferung der Mutter? wird man verwundert fragen. Ja, leider! Besser entwickelt in fein gemütvoller Weise, aber eben völlig unhaltbar, den Gedanken, die Königin trinke aus dem Kelch mit Absicht und wisse mithin um die Vergiftung. Das ist ein arger Mißgriff. Der König konnte uud durfte seine Gattin in den Plan unmöglich einweihen, denn sie würde ihn nie gelitten haben. Er selbst sagt in der siebenten Szene des vierten Akts zn Laertes, seinem einzigen Mitwisser und Mitthäter: „Seine Mntter, die Königin, lebt fast von seinem Blick" und an einer andern Stelle derselben Szene bei Erwähnung des Probestücks, das dem Neffen den Tod bringen soll: „Es soll um seinen Tod kein Lüftchen Tadel wehn. Selbst seine Mntter spreche los die List und nenne Zufall sie." Wie kann man gegen diese durch das ganze Verhalten zwischen Mutter und Sohn besiegelten Worte taub sein?
Die blutlose Reinigungsidee wird nun überall gesucht und gefunden. Wenn Hamlet in herzlicher Aufwallung den teuern, trenen Jugendfreund mit den fröhlich gefärbten studentischen Worten grüßt: „Ihr sollt noch trinken lernen, eh' ihr reist," dann soll nach Besser eine hohe sittliche Besonnenheit darin zu fiuden und die traute Begrüßung mir ein hinterhältiger „Fühler sein, ob Horatio wohl auch wie Laörtes zur Krönungs- statt zur Leichenfeier gekommen" fei. Die Gebetsszene des Königs und Hamlets Verhalten während derselben wird völlig auf den Kopf gestellt. Besser geht von der Voraussetzung ans, Hamlet habe den Claudius „nach deni Willen der Vorsehung zuvörderst reuig zu machen" und ihn erst „im Falle des Mißlingens zu richten." Ob dies dramatisch wäre oder nicht, kümmert den Ausleger nicht; für ihn handelt es sich nur um die Frage: „Wird Hamlet sich selbst überwinden?" ini Falle ihrer Bejahung aber um die andre: „Wird der Köuig bußfertig vom Gebet wiederaufstehen?" Man erinnere sich des flüsternden Selbstgespräches Hamlets, während der König am Betpulte kniet, um sich über die Entscheidung Bessers, Hamlet habe sich hier sittlich überwunden, nach Gebühr zu wundern. Nach den klaren Worten des Dichters steht der Prinz von der Führung des Todcsstreiches nur darum ab, weil er dem König nicht die Wohlthat erweisen will, während des Betens zu sterben und auf diese Weise gen Himmel zu fahren. „Das wäre Sold und Löhnung, Rache nicht." Zu andrer Stunde soll er fallen, „wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut, in seines Betts blutschänderischen Freuden," kurzum bei einem Thuu, „das keine Spur des Heiles an sich hat," damit die Rache ganz vollkommen werde. Das ist so bündig wie möglich, daran