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Die antiken Christenverfolgungen und der Kulturkampf.
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Die antiken Lhnsteiwerfolgungen und der Aultmkamxf.

Wenn nach der neronischen Zeit eine Reihe von Christenverfolgungen von den in religiösen Dingen so gleichgiltigen Römern ausgingen, so haben diese meistenteils in den Besonderheiten ihren Grund, durch welche die Christen bei den Heiden Anstoß erregten. Die Christen nahmen sür sich eine gewisse Aus- schließlichkcit in Anspruch. Sie hielten sich sür besondre Kinder Gottes, erklärten ihre Religion für die allein wahre, zogen sich verächtlich von den heidnischen Religionsgebrünchen zurück. Dieser geistliche Hochmut wurde den Heiden ver­ächtlich und hassenswert. Einige heidnische Religionsgebräuche wurden außerdem für jede» Staatsbürger für notwendig gehalten. Dahin gehörte besonders das Opfern für den Genius des Kaisers. Die Christen hielten das für Götzendienst und thaten es nicht, weshalb sie für Frevler an der Majestät des Kaisers ge­halten wurden. Ferner predigten sie den Untergang der Welt, da sie die Lehre vom jüngsten Tage auf ihre Zeit bezogen. Die Römer, die ihren Staat für ewig hielten, glaubten deshalb, Staatsfeiude iu ihnen erblicken zn müssen. Nimmt man noch hinzu, daß sie sich zeitweise weigerten, Kriegsdienste zn leisten, da sie kem Blut vergießen dürften, daß z. B. einst ein höherer Befehlshaber urplötzlich seine Waffen wegwarf, durch die Straßen lief und ausrief, es sei Frevel, Waffen zn tragen, so kann man sich nicht wundern, wenn es Zeiten gab, in welchen man von der Staatsgefährlichkeit der christlichen Lehren überzeugt war. Was sollte der römische Staat, der allein dnrch Waffengewalt seine Größe erlangt hatte und bewahrte, mit einer Religion, die nach seiner Meinung Feiglinge erzog? Trotzdem verfuhr man verhältnismäßig fchvnend und mild. Man hielt die Christen mehr für beklagenswert, da man ihre Gesinnung nicht begreifen konnte. Häufig wurde auch die Ausführung strenger Verordnungen Beamten anvertraut, welche dem Christentum geneigt oder doch von der Nutzlosigkeit der Verfolgungen über­zeugt waren. Das sind allgemeine Gesichtspunkte, die bei allen Verfolgungen berücksichtigt werden müssen, also auch bei der dioclctianischen, der heftigsten, längsten, allgemeinsten und zugleich letzten, wenn auch hier noch besondre Momente in Betracht zu ziehen sind.

Die diocletianische Christenverfolgung begann am 23. Februar 303 damit, daß die Hauptkirche der Christen in Nicomedia, wo Diocletian residirte, nieder­gerissen wurde. Fragen wir darnach, wie es zu dieser Gewaltmaßregel gekommen, so stoßen wir auf eine Nachricht, die nicht geringere Bedenken erregen muß als die taciteische Erzählung über die neroische Verfolgung, nur daß der Bericht­erstatter hier in umgekehrter Weise für die Christen Partei nimmt. Es ist Lactcmtius, der in seinem BucheÜber die Todesarten der Verfolger" (vs mortivus xsrLöcutorum) im zehnten Kapitel zunächst berichtet, daß eine wichtige Ein- gewcideschau in Gegenwart des Kaisers dadurch gestört worden sei, daß die anwesenden christlichen Hofleute das Kreuz geschlagen (oder an ihre Stirnen ein wirkliches Kreuz gehestet) und damit die Dämonen Vertrieben hätten; vergebens sei das Opfer mehrmals wiederholt worden, bis der Vorsteher der Haruspices